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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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nicht, wovon Sie reden.«
    »Ich bin Lorenzo.«
    »Das muss ein Irrtum sein.« Gereizt stand Taboada auf.
    »Es ist kein Irrtum.« Ardèvol blieb ruhig sitzen. »Ich wollte nur kurz guten Tag sagen, weil ich ohnehin gerade in der Nähe war. Ich bin nämlich auf dem Weg zu meinem Freund, dem Zivilgouverneur von Barcelona. Ein guter Freund von mir und auch vom General, der sein Büro gleich hier nebenan hat.«
    »Sie sind mit Don Wenceslao befreundet?«
    »Eng befreundet.«
    Zögernd nahm der Oberstleutnant wieder Platz, und Ardèvol legte eine Visitenkarte des Zivilgouverneurs auf den Tisch und sagte, rufen Sie ihn an, und er wird es Ihnen selbst bestätigen.
    »Nicht nötig. Erzählen Sie es mir.«
    Viel gab es nicht zu erzählen, Liebste, denn die Geschicklichkeit, mit der mein Vater andere einzuwickeln verstand, war ungeheuerlich.
    »Oh!« Fèlix Ardèvol machte ein langes Gesicht, während er den Zivilgouverneur insgeheim verfluchte. Der hob die in drei Teile zerbrochene Terracottafigur vom Boden auf.
    »Ist die viel wert?«, fragte er.
    »Millionen, Exzellenz.«
    Fèlix Ardèvol hatte Mühe, sich seinen Unmut über so viel Tollpatschigkeit nicht anmerken zu lassen. Wenceslao González Oliveros legte die drei Bruchstücke auf den Tisch und sagte in seinem blumigen Spanisch und in der Tonlage eines kastrierten Toreros, ich werde es mit einem guten Leim wieder zusammenkleben lassen, wie wir es mit unserem von den Partisanen verwundeten und geschändeten Spanien auch getan haben.«
    »Kommt nicht in Frage!«, entfuhr es Ardèvol etwas zu ungestüm. »Ich werde mich um die Restauration kümmern, und übermorgen steht Ihr Geschenk wieder auf Ihrem Schreibtisch.«
    Wenceslao González Oliveros legte ihm eine Hand auf die Schulter und trompetete, verehrter Ardèvol, dieses heidnische Idol ist ein Sinnbild für das an Kommunismus, Katalanismus,Judaismus und Freimaurerei krankende Spanien, zu dessen Rettung wir notgedrungen in den Krieg gegen das Böse ziehen mussten.
    Ardèvols Miene wirkte sehr nachdenklich, was dem Zivilgouverneur gefiel. Schwungvoll packte er das kleinste Stück, einen abgebrochenen Arm der Figur, hielt ihn seinem aufmerksamen Zuhörer hin und sagte, zudem gebe es zwei Katalonien, ein verlogenes, treuloses, zynisch pragmatisches …
    »Ich möchte Sie um einen ganz speziellen Gefallen bitten.«
    »… zutiefst materialistisches und darum religiösen und ethischen Werten verschlossenes, ein grundlegend unvaterländisches.«
    »Für die Dienste, die ich Ihnen erweise. Für Sie eine ganz einfache Sache: Ich möchte die Erlaubnis, mich frei zu bewegen.«
    »Ein neues Katalonien wird erstehen, liebenswert, bewunderungswürdig, gesund, vital, selbstbewusst, von so exquisiter Feinsinnigkeit wie dieses Figürchen.«
    »Es ist eine sehr kostbare punische Terracottaskulptur, die ich mit meinen Ersparnissen einem jüdischen Arzt abgekauft habe, der dringend Geld brauchte.«
    »Über die Niedertracht der jüdischen Rasse belehrt uns bereits die Bibel.«
    »Nein, Exzellenz, das sagt die katholische Kirche. Die Bibel wurde von Juden geschrieben.«
    »Guter Einwand, Ardèvol. Ich sehe, Sie sind ein gebildeter Mensch. Allerdings nimmt das den Juden nichts von ihrer Niedertracht.«
    »Natürlich nicht, Exzellenz.«
    »Und keine Widerrede mehr.« Sicherheitshalber hob er dazu den Zeigefinger.
    »Nein, Exzellenz.« Ardèvol wies auf die drei Tonscherben. »Eine Skulptur aus punischer Zeit, sehr kostbar, sehr teuer, ein antikes Unikat römisch-karthagischer Herkunft.«
    »Ja. Ein Katalonien von hoher Intelligenz, mit einem großen Reichtum an noblen und vornehmen Wurzeln …«
    »Und ich garantiere Ihnen, sie wird wieder wie neu. WasSie hier sehen, ist über zweitausend Jahre alt und kostet sehr viel Geld.«
    »… strotzend vor Unternehmungslust und wählerisch in seinen ritterlichen Neigungen, das sich mit Hingabe, Tatkraft und Intuition …«
    »Ich bitte Sie lediglich um einen Pass ohne Reisebeschränkung, Exzellenz.«
    »… für die Zukunft ganz Spaniens einsetzt, der fürsorglichen Mutter aller Völker. Ein Katalonien, das mit Maß, Umsicht und Anstand seinen lieblichen Dialekt auf den heimischen Herd zu beschränken weiß, um niemanden zu verstimmen.«
    »Damit ich unbehelligt ins Ausland reisen und in unser großes Spanien zurückkehren kann, auch wenn in Europa Krieg herrscht; denn gerade weil in Europa Krieg herrscht, ergeben sich Gelegenheiten für mich, das eine oder andere kleine Geschäft zu

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