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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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verbunden war. Aber das Lexikon brachte mich auch nicht weiter, denn das Wort tauchte darin nicht auf, und mein Zweifel blieb bestehen. Bruch war wohl eine mittelmäßige Schwuchtel gewesen. Vermutlich.
    Damals hatte Adrià Ardèvol eine wahre Engelsgeduld, und deshalb kamen mir die Geigenstunden bei Maestro Manlleu gar nicht so schlimm vor wie jetzt im Rückblick, da ich mir diese Zeit für dich wieder vergegenwärtige. Ich gehorchte und entsinne mich noch immer jeder Minute, die ich unter seiner Fuchtel stand. Nach drei oder vier Unterrichtsstunden begann mich vor allem eine Frage zu beschäftigen, auf die ich bis heute keine Antwort gefunden habe: Von einem Musikinterpreten verlangt man lediglich Perfektion. Er kann der größte Lump sein, nur perfekt spielen muss er. Wie Maestro Manlleu, der meiner Meinung nach alle nur denkbaren Fehler und Schwächen hatte, aber perfekt spielte.
    Jedenfalls glaubte ich, einen Unterschied zwischen Manlleus Perfektion und Bernats Wahrhaftigkeit herauszuhören. Und dadurch begann ich, mich ein wenig mehr für die Musik zu interessieren. Ich verstehe nicht, warum Bernat sich nicht mit seinem Talent begnügt hat, sondern wie ein Besessener nach seinem eigenen Ungemach sucht, indem er Buch für Buch an seiner offenkundigen Unfähigkeit scheitert. Wir haben beide die Gabe, Ungemach im Leben zu finden.
    »Du machst doch gar keine Fehler!«, ereiferte sich Bernat vor fünfzig Jahren, als ich ihm meine Zweifel beschrieb.
    »Aber ich muss wissen, dass ich welche machen darf.« Verdutztes Schweigen. »Verstehst du das nicht?«
    Und aus diesem Grund hängte ich die Geige an den Nagel. Doch das ist eine andere Geschichte. Auf dem Schulweg berichtete ich Bernat ausführlich von meinen Geigenstunden bei Manlleu, und wir kamen nie rechtzeitig in die Schule, weil Bernat, mitten auf dem Carrer d’Aragó im Rauch der Lokomotiven, der die Fassaden schwärzte, ohne Geige nachzuvollziehen versuchte, was ich Manlleus Ansicht nach tun sollte, während die Passanten uns anstarrten, und später zu Hause probierte er es aus und wurde auf diese Weise mittwochs und freitags kostenlos zum zweiten Schüler des großen Manlleu.
    »Donnerstags nachmittags werdet ihr nachsitzen. Das ist das dritte Mal in zwei Wochen, dass ihr zu spät kommt, meine Herren.« Der Pedell mit dem blonden Schnauzbart lächelte befriedigt, weil er uns erwischt hatte.
    »Aber …«
    »Kein Aber.« Er schwenkte das verhasste Büchlein und zog einen Bleistift aus seinem Kittel. »Namen und Klasse.«
    Und so sahen wir uns an den Donnerstagnachmittagen der Manlleu-Ära gezwungen – statt heimlich in den Papieren meines Vaters zu wühlen, statt bei Bernat oder bei mir zu Hause gemeinsam meine letzte Geigenstunde durchzugehen –, im Klassenzimmer der Zwei B zu erscheinen, wo gut ein Dutzend weiterer Pechvögel über ein aufgeschlagenes Lesebuch gebeugt ihre Unpünktlichkeit sühnten, während Senyor Oliveres oder Senyor Rodrigo uns mit gelangweilter Miene beaufsichtigten.
    Und wenn ich nach Hause kam, erkundigte sich meine Mutter nach meinen Fortschritten bei Manlleu und stellte verfängliche Fragen hinsichtlich der Möglichkeit, mich bald einmal bei einem kleinen Konzert zu präsentieren, hörst du, Adrià?, mit ganz großen Werken, weil Manlleu ihr anscheinend versprochen hatte, dass ich das könne.
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Die Kreutzer-Sonate. Oder eine von Brahms«, sagte sie eines Tages.
    »Unmöglich, Mutter!«
    »Nichts ist unmöglich«, gab sie zurück wie die Trullols, als sie sagte, sag niemals nie, Ardèvol. Doch auch wenn der Ratschlag praktisch derselbe war, blieb er ohne Wirkung auf mich.
    »Ich bin nicht so gut, wie du denkst, Mutter.«
    »Du wirst perfekt spielen.«
    Und in vollkommener Nachahmung meines Vaters, wenn er keinen Widerspruch duldete, rauschte sie aus dem Zimmer und ging nach hinten zu Senyora Angeleta, und ich war einbisschen traurig, weil Mutter zwar wieder mit mir sprach, aber mir fast nie ins Gesicht sah und sich ausschließlich für meine Lernerfolge interessierte und kein bisschen für mein unbezähmbares Bedürfnis, eine nackte Frau zu sehen, oder die unerklärlichen Flecken auf dem Laken, die ich allerdings auch meinerseits nicht gern zum Gesprächsthema erhoben sehen wollte. Und wie soll ich jetzt Portamenti üben, ohne Portamenti zu spielen?
    Kaum hatte ich unser Treppenhaus erreicht, fiel mir mein Engel wieder ein, den ich, verhindert von Manlleus Lektion über negroide Rhythmen, grausam

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