Das Schweigen des Sammlers
sie ins Arbeitszimmer, bevor Lola Xica, die mit dem Einräumen von Carmes Aussteuer beschäftigt war, den ungebetenen Besuch bemerkte.
Die drei standen im Arbeitszimmer, während im ganzen Haus Aufruhr herrschte und die Möbelträger Mutters Einrichtung heraufschleppten, die Schubladenkommode der Großmutter, den Garderobenspiegel, den Fèlix erlaubt hatte, im Schrankzimmer aufzuhängen. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, und Lola Xica, die erst seit zwei Stunden im Haus war und schon jede einzelne Fliese in Senyor Ardèvols Haus kannte, dachte, großer Gott, wie hochherrschaftlich das Mädchen wohnen wird! Und hinter der geschlossenen Tür der Hausherr und sein Besuch, der nichts Gutes verhieß, aber Lola konnte ihre Nase ja schlecht in Senyor Fèlix’ Angelegenheiten stecken.
»Bist du beschäftigt?«, fragte die ältere der beiden Frauen.
»Ziemlich.« Er hob die Schultern. »Hier geht es im Moment drunter und drüber.« Kurz angebunden: »Was willst du?«
Sie lächelte ihn offen an. Er wusste nicht, wohin mit seinem Blick. Um seine Befangenheit zu überspielen, nickte Fèlix zu der jungen Frau hinüber und fragte, obwohl er die Antwort schon kannte, und wer ist dieses hübsche Fräulein?
»Deine Tochter, Fèlix.«
»Carolina, ich …«
Carolina konnte nichts mehr schrecken, seit ihr Student mit den blanken, lieben Augen feige den Kopf eingezogen hatte, als sie damals seine Hand auf ihren Bauch gelegt hatte.
»Aber wir waren doch bloß drei oder vier Mal im Bett!«, hatte er verstört, bleich, schaudernd, ängstlich, schwitzend gesagt.
»Zwölf Mal«, hatte sie ernst erwidert. »Aber dafür genügt ja schon ein einziges Mal.«
Stille. Sich das Entsetzen nicht anmerken lassen. An die Zukunft denken. Heimlich nach einem Ausweg schielen. Dem Mädchen ins Gesicht sehen und sie mit schimmernden Augen sagen hören, du freust dich doch, nicht wahr, Fèlix?
»Na, und wie.«
»Wir bekommen ein Kind, Fèlix!«
»Wie schön. So eine Freude.«
Und am folgenden Tag hatte er das Studium Studium sein lassen und war aus Rom geflohen. Am meisten hatte es ihn geschmerzt, Pater Falubas Vorlesungen nicht zu Ende hören zu können.
»Fèlix Ardèvol?«, hatte Bischof Muñoz verblüfft gesagt. »Fèlix Ardèvol i Guiteres?« Und mit ungläubigem Kopfschütteln: »Unmöglich.«
Er saß am Schreibtisch seiner Amtsstube, vor ihm stand Hochwürden Ayats mit einer Akte in der Hand und diesem unterwürfigen Gehabe, das Monsignore nicht ausstehen konnte. Über den Balkon des bischöflichen Palastes drang das Quietschen eines offenbar schwer beladenen Karrens herein und das Keifen einer Frau, die ein Kind schalt.
»Es ist sehr wohl möglich.« Dem bischöflichen Sekretär gelang es nicht, seine Genugtuung zu verhehlen. »Leider hat er es tatsächlich getan. Er hat eine Frau geschwängert und …«
»Erspart mir die Einzelheiten«, fauchte der Bischof.
Nachdem Monsignore Muñoz über alles genauestens im Bilde war, zog er sich mit verwirrter Seele zum Gebet zurück, wobei er bestürzt vor sich hin murmelte, zum Glück hat Monsignore Torres i Bages diese Schmach nicht mehr erleben müssen, die ausgerechnet der über uns gebracht hat, den viele als Zierde des Bistums ansahen, und Hochwürden Ayats schlug artig die Augen nieder, denn dass Ardèvol alles andere als eine Zierde war, wusste er schon lange. Hochintelligent, hochphilosophisch, hochallesmögliche, aber ein ausgemachter Schuft.
»Woher weißt du, dass ich morgen heirate?«
Carolina gab keine Antwort. Die Augen ihrer Tochter hingen am Gesicht dieses Herrn, der ihr Vater war, und sie schenkte dem Gespräch wenig Beachtung. Carolina musterte Fèlix – fülliger, nicht mehr so gutaussehend, deutlich älter, mit dunklerer Haut und Falten um die Augen – und lächelte kaum merklich.
»Deine Tochter heißt Daniela.«
Daniela. Sie sieht aus wie ihre Mutter, als ich sie kennenlernte.
»An diesem Tag, genau hier«, sagte mein Engel, »hat mir Ihr Mann unter Eid Can Casic zugesagt. Und als Sie von Ihrer Hochzeitsreise aus Mallorca zurückkamen, machte er die Schenkung amtlich.«
Die Mallorca-Reise, die Tage mit ihrem Mann, der nicht mehr den Hut lüftete, wenn er ihr begegnete, weil sie ja den ganzen Tag zusammen waren und er ihr somit auch nicht mehr sagen konnte, wie geht’s, meine Schöne?. Oder es zwar hätte sagen können, es aber nicht tat. Anfangs war ihr Mann noch sehr aufmerksam ihr gegenüber, zog sich aber allmählich immer mehr in grüblerisches
Weitere Kostenlose Bücher