Das Schweigen des Sammlers
Ehrbarkeit?«
»Allerdings! Und aus welchem Grund sollte Ihnen mein Mann erlauben, uns zu betrügen?«
»Niemand wird dabei betrogen, es sind Ausgleichszahlungen.«
»Und aus welchem Grund sollte mein Mann mit Ausgleichszahlungen einverstanden sein?«
»Weil er einsah, dass mein Gehalt in Anbetracht meiner Verdienste um den Laden sehr gering war.«
»Warum hat er es dann nicht erhöht?«
»Das müssen Sie ihn schon selbst fragen. Verzeihung. Aber so ist es.«
»Haben Sie irgendeinen Beleg dafür?«
»Nein. Es war eine mündliche Vereinbarung.«
»Dann muss ich Sie anzeigen.«
»Wissen Sie, warum Cecília Ihnen diese Quittungen gegeben hat?«
»Nein.«
»Weil sie mich zugrunde richten will.«
»Weshalb?« Erwartungsvoll lehnte sich meine Mutter mit fragendem Blick in ihrem Sessel zurück.
»Das ist eine sehr alte Geschichte.«
»Setzen Sie sich. Wir haben Zeit. Ihr Flugzeug geht erst am Nachmittag.«
Senyor Berenguer setzte sich. Senyora Ardèvol stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte das Kinn in die Hände und sah ihm auffordernd in die Augen.
»Komm, Cecília, wir haben keine Zeit.«
Cecília lächelte dieses schamlose Lächeln, das sie nur aufsetzte, wenn es sonst niemand sah, und ließ sich von Senyor Ardèvol bei der Hand nehmen und ins Büro führen. Hierher.
»Wo ist Berenguer?«
»In Sarrià. Er räumt die Wohnung der Pericas-Salas aus.«
»Habt ihr da nicht Cortés hingeschickt?«
»Er traut den Erben nicht. Die wollen uns Sachen unterschlagen.«
»Diese Gauner! Zieh dich aus.«
»Die Tür ist offen.«
»Das macht es aufregender. Zieh dich aus.«
Cecília, nackt, mitten im Büro, mit gesenktem Blick und einem Lächeln, als könnte sie kein Wässerchen trüben, was sie ebenfalls sehr gut beherrscht. Und ich war nicht beim Ausräumen der Pericas-Sala-Wohnung, weil das Inventar ohnehin einen festen Schätzwert hatte und ich jeden fehlenden Reißnagel reklamiert hätte. Das Luder saß auf diesem Tisch und befummelte Ihren Mann.
»Du machst das immer besser.«
»Es könnte jemand reinkommen.«
»Mach du nur schön weiter. Wenn Kundschaft kommt, kümmere ich mich schon um sie.«
Und sie lachten wie die Irren, während sie alles durcheinanderbrachten und das Tintenfass herunterfiel, der Fleck ist immer noch da, sehen Sie?
»Ich liebe dich.«
»Ich dich auch. Ich nehme dich mit nach Bordeaux.«
»Und der Laden?«
»Senyor Berenguer.«
»Aber der weiß doch gar nicht, wo …«
»Nicht aufhören, mach weiter … Du kommst mit mir nach Bordeaux, und dort amüsieren wir uns jede Nacht.«
Da bimmelte die Türglocke, und ein Kunde kam herein, der eine japanische Waffe kaufen wollte, die er eine Woche zuvor bereits begutachtet hatte. Während Fèlix ihn empfing, versuchte Cecília, sich halbwegs wieder herzurichten.
»Kannst du den Herrn bedienen, Cecília?«
»Einen Augenblick, Senyor Ardèvol.«
Ohne Unterwäsche, den Lippenstift über das ganze Gesicht verschmiert, kam Cecília puterrot aus dem Büro und übernahm den Kunden, während Fèlix die Szene belustigt verfolgte.
»Und wieso erzählen Sie mir das, Senyor Berenguer?«
»Damit Sie es wissen. Das ging seit Jahren so.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
»Nun, ich kann Ihnen noch mehr erzählen. Bis es uns allen zu den Ohren rauskommt.«
»Nur zu. Wie gesagt, wir haben Zeit.«
»Du bist ein Feigling. Nein, nein, lass mich ausreden: ein Feigling. Seit fünf Jahren dieselbe Leier: Ja, Cecília, nächsten Monat gestehe ich ihr alles, das verspreche ich dir. Feigling. Fünf Jahre hältst du mich schon hin. Fünf Jahre! Ich bin kein kleines Mädchen mehr. (…) Nein, nein, nein! Jetzt rede ich. Wir werden nie zusammenleben, weil du mich nicht liebst. Nein, halt du den Mund, jetzt bin ich an der Reihe. Du sollst den Mund halten, habe ich gesagt! Deine schönen Worte kannst du dir sonst wohin stecken. Es ist aus. Hörst du? Was? (…) Nein. Sag gar nichts. Was? Weil ich auflege, wann es mir passt. (…) Himmel, Arsch und Zwirn, wann es mir passt, hab ich gesagt!«
»Ich wiederhole, ich glaube Ihnen kein Wort. Ganz bestimmt nicht.«
»Das liegt bei Ihnen. Jetzt werde ich mir vermutlich eine andere Stelle suchen müssen.«
»Nein. Wenn Sie mir jeden Monat etwas von dem zurückzahlen, was Sie gestohlen haben, können Sie weiter hier arbeiten.«
»Ich würde lieber gehen.«
»Dann zeige ich Sie an, Senyor Berenguer.«
Meine Mutter nahm ein mit Zahlen beschriebenes Blatt aus der Aktentasche.
»Das ist von jetzt an Ihr
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