Das Schweigen des Sammlers
aufgegeben.«
»Ich habe das Klavierspielen aufgegeben, weil Bernats Karriere bei uns zu Hause immer Vorrang hatte. Schon vor vielen Jahren. Noch vor Llorenç.«
»Typisch.«
»Lass jetzt nicht die Feministin raushängen, ich spreche zu dir als Freundin, okay?«
»Aber eine Trennung in eurem Alter …«
»Na und? Wenn du jung bist, bist du zu jung, wenn du alt bist, bist du zu alt. Und so alt sind wir nun auch wieder nicht. Ich habe noch mein halbes Leben vor mir, okay?«
»Du bist sehr nervös.«
Das war verständlich. Unter anderem hatte Bernat im Lauf ihrer so überaus stilvollen Trennung verlangt, dass Tecla ausziehen sollte. Daraufhin hatte sie die Geige gepackt und aus dem Fenster geworfen. Vier Stunden später stellte sich heraus, dass ihr Mann sie wegen mutwilliger Zerstörung seines Eigentums bei der Polizei angezeigt hatte, und sie war schleunigst zu ihrem Anwalt gerannt, der sie ausgescholten hatte wie ein kleines Mädchen und sie gewarnt hatte, damit ist nicht zu spaßen, Senyora Plensa, das ist eine heikle Sache. Wenn Sie wollen, übernehme ich den Fall, aber Sie müssen tun, was ich Ihnen sage.
»Wenn ich die verflixte Geige noch einmal sehe, fliegt sie wieder aus dem Fenster, und notfalls gehe ich dafür ins Gefängnis.«
»So kommen wir nicht weiter. Sind Sie damit einverstanden, dass ich den Fall übernehme?«
»Natürlich, deshalb bin ich hier.«
»Dann muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie gut daran getan hätten, mit Ihrem Mann zu streiten, ihn zu hassen und ihm das Geschirr an den Kopf zu werfen. Das Geschirr, nicht die Geige. Damit haben Sie einen schweren Fehler begangen.«
»Ich wollte ihm wehtun.«
»Das haben Sie zwar erreicht, sich damit aber auch auf ganz idiotische Weise selbst geschadet. Und verzeihen Sie meine Offenheit.«
Und dann erklärte er ihr, welche Strategie sie verfolgen sollten.
»Und ich erzähle dir jetzt meine Misere, weil du meine beste Freundin bist, Xènia.«
»Du brauchst dich nicht zusammenzureißen, weine ruhig. Das tut gut. Ich heule mir immer die Augen aus dem Kopf.«
»Die Richterin, eine Frau, gab ihr in allem recht«, beklagte sich Bernat hinterher bei Xènia. »Da sieht man wieder mal, wie ungerecht die Justiz sein kann. Sie hat ihr nur eine Geldstrafe aufgebrummt wegen der zertrümmerten Geige. Die sie mir bis heute nicht bezahlt hat und auch nie bezahlen wird. Vier Monate bei Bagué in der Klinik, und ich finde, sie klingt nicht wie vorher.«
»Ist es ein gutes Instrument?«
»Und ob. Eine Thouvenel aus Mirecourt. Ende neunzehntes Jahrhundert.«
»Warum mahnst du das Geld nicht an?«
»Ich will nichts mehr von Tecla wissen. Im Moment hasse ich sie aus tiefstem Herzen. Sie hat mich sogar gegen meinen Sohn aufgehetzt. Und das ist fast so unverzeihlich wie die Zerstörung der Geige.«
Schweigen.
»Umgekehrt, meine ich.«
»Ich hab dich schon verstanden.«
Manchmal gibt es in großen Städten ruhige Gassen, in denen deine Schritte durch die nächtliche Stille hallen, und es kommt dir so vor, als wäre alles wieder wie früher, als wir noch wenige waren, jeder jeden kannte und man sich auf der Straße grüßte. Zu der Zeit, als Barcelona nachts noch schlief. Bernat und Xènia gingen durch die menschenleere Permanyer-Passage, die zu einer anderen Welt zu gehören schien, und horchten einige Minuten lang nur auf ihre eigenenSchritte. Xènia trug hochhackige Schuhe. Sehr schick. Sie hatte sich sehr schick gemacht, obwohl es eigentlich ein zwangloses Treffen sein sollte. Ihre Absätze hallten durch die Nacht ihrer dunklen Augen; sie ist wirklich hübsch.
»Ich verstehe deinen Kummer«, sagte Xènia, als sie den Carrer de Llúria erreichten, den ein Taxi hinaufdonnerte. »Aber du musst darüber hinwegkommen. Besser, du sprichst gar nicht davon.«
»Aber du hast mich doch gefragt.«
»Ich hatte ja keine Ahnung …«
Als Bernat die Wohnungstür aufschloss, sagte er, such in der Welt dein Glück und kehr in den Born zurück, und dann erklärte er ihr, dass er nach seiner Trennung zufällig wieder im Stadtviertel seiner Kindheit gelandet sei. Und ich bin froh, wieder hier zu sein, weil mit diesem Ort für mich eine Unmenge Erinnerungen verbunden sind. Willst du einen Whisky oder so was?
»Ich trinke nicht.«
»Ich auch nicht. Aber ich habe welchen zum Anbieten, wenn Besuch kommt.«
»Wasser reicht mir.«
»Dass ich die Wohnung behalte, stand für das Miststück überhaupt nicht zur Debatte. Ich musste zusehen, wo ich bleibe.« Er breitete
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