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Das Schweigen des Sammlers

Das Schweigen des Sammlers

Titel: Das Schweigen des Sammlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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wir Arbeit und Privates mischen, weißt du?
    Paris war Teil der Machenschaften meiner Mutter, die mich bewegen wollte, mein Geigenstudium fortzusetzen. Doch ahnte sie nicht, wie sehr es mein Leben verändern würde. Denn dort habe ich dich kennengelernt. Dank Mutters Machenschaften. Nicht im Konzertsaal, sondern vorher, auf dem heimlichen Ausflug mit Maestro Castells. Im Café Conde. Er war mit seiner Schwester verabredet, die in Begleitung ihrer Nichte erschien, und das warst du.
    »Sara Voltes-Epstein.«
    »Adrià Ardèvol-Bosch.«
    »Ich zeichne.«
    »Ich lese.«
    »Bist du nicht Geiger?«
    »Nein.«
    Du lachtest, und im Café Conde ging die Sonne auf. Dein Onkel und deine Tante unterhielten sich angeregt und bemerkten es nicht.
    »Komm bitte nicht zum Konzert«, flehte ich dich an. Und zum ersten Mal war ich ehrlich und sagte leise, ich mache mir vor Angst in die Hose. Und was mir am meisten an dir gefallen hat, war, dass du nicht zum Konzert kamst. Darum habe ich mich in dich verliebt. Ich glaube, das habe ich dir nie gesagt.
    Das Konzert war gut. Adrià spielte ordentlich, ohne Nervosität, weil er wusste, dass er die Leute im Saal nie im Leben wiedersehen würde. Und Maestro Castells erwies sich als exzellenter Partner, der mir einige Male, als ich ins Stocken geriet, sehr feinfühlig auf die Sprünge half. Und Adrià dachte, mit einem Lehrer wie ihm ließe sich richtig Musik machen.
    Es ist dreißig oder vierzig Jahre her, dass ich Sara kennenlernte. Die Frau, die mein Leben erhellt hat und um die ichdie bittersten Tränen vergossen habe. Ein siebzehnjähriges Mädchen mit dunklen Zöpfen und einem leicht französisch klingenden Katalanisch, wie es im Roselló gesprochen wird, einem Akzent, den sie nie verloren hat. Sara Voltes-Epstein. Es war am zwanzigsten September neunzehnhundertpaarundsechzig. Und nach der kurzen Begegnung im Café Conde dauerte es zwei Jahre, bis wir uns wiedersahen, und wieder war es Zufall. Und bei einem Konzert.
    Dann trat Xènia vor ihn hin und sagte, meinetwegen gern.
    Bernat blickte in ihre dunklen Augen. Sie passten zur Nacht. Xènia. Er antwortete, also gut, dann komm mit nach oben. Da können wir uns in aller Ruhe unterhalten. Xènia.
    Bernat und Tecla hatten sich vor einigen Monaten getrennt und beiderseits viel Sorgfalt und Mühe aufgewendet, damit es ein möglichst lautstarker, traumatischer, sinnloser, schmerzhafter und wütender Prozess voller Gemeinheiten wurde, vor allem sie; ich weiß nicht, wie ich mich je für so ein Weibsstück erwärmen, geschweige denn mit ihr leben konnte. Ich schlage drei Kreuze, das sage ich dir. Und Tecla erzählte Xènia, die letzten Monate ihres Zusammenlebens seien die Hölle gewesen, weil Bernat sich den ganzen Tag im Spiegel betrachtet habe; nein, nein, versteh mich nicht falsch, damit meine ich nur, dass er immerzu mit sich selbst beschäftigt war; bei uns zu Hause hat sich alles ausschließlich um seine Themen gedreht, und ihn interessierte lediglich, ob er beim letzten Konzert gut war, dass die Kritiker immer inkompetenter werden, ob die Geige im Tresor auch sicher ist oder ob wir lieber einen neuen Tresor anschaffen sollten, denn die Geige ist das wichtigste Stück in diesem Haus, hörst du, Tecla?, schreib dir das hinter die Ohren, sonst gibt es Stunk. Aber was mir am meisten wehtat, war seine rücksichtslose und abweisende Art Llorenç gegenüber. Das hielt ich nicht mehr aus, und ich fing an, ihn in seine Schranken zu weisen. Bis es vor ein paar Monaten endgültig krachte. Ein fürchterlicher Egoist, der meint, er wäre ein großer Künstler, und dabei ist er bloß ein armer Schlucker, der außer Geige spielen nichts tut, als die Leute zu schikanieren, weil er sich für den besten Schriftsteller der Welt hält. Hier, sagte der Kerl zu mir, lies das, und sag mir, was du darüber denkst. Und wehe, ich hatte etwas auszusetzen, denndann erklärte er mir tagelang, dass ich keine Ahnung hätte und er der Einzige wäre, der etwas davon verstand.
    Xènia sah Tecla erstaunt an. »Ich wusste gar nicht, dass er schreibt.«
    »Das weiß kein Mensch, nicht einmal sein Verleger, okay? Es ist Scheißdreck, was er schreibt, langatmig, wichtigtuerisch … Jedenfalls begreife ich nicht, was ich an so einem Typen finden konnte. Und wie ich mit ihm zusammenleben konnte!«
    »Und du, warum hast du das Klavierspielen aufgegeben?«
    »Das kam ganz allmählich, ohne dass ich es gemerkt hätte. Zum Teil …«
    »Bernat hat die Geige jedenfalls nicht

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