Das Schweigen des Sammlers
was?«
»Schwuchteln.«
»Ich spreche im Ernst.«
»Allmählich erkenne ich deine hysterischen Züge.«
»Uff, jetzt schießt du aber scharf.«
»Du willst perfekt sein. Und wenn du es nicht bist …, wirst du sauer; oder verlangst Perfektion von denen in deiner Umgebung.«
»Arbeitest du etwa für Tecla?«
»Tecla ist tabu.«
»Was ist denn auf einmal in dich gefahren?«
»Ich will dich aus der Reserve locken. Weil du mir die Frage beantworten sollst.«
»Welche Frage?«
Bernat sah, wie Xènia den Rekorder wieder einschaltete und ihn sacht auf das Tischchen stellte.
»Wie fühlt man sich als schreibender Musiker?«, wiederholte sie.
»Ich weiß nicht. Es hat sich einfach so ergeben. Ganz unausweichlich.«
»Du wiederholst dich.«
In Wahrheit ergibt sich alles unerträglich langsam, mutwillig undunberechenbar, so glühend du auch hoffst, es möge dich schlagartig überkommen, denn Bernat schrieb seit vielen Jahren, und seit vielen Jahren sagte ihm Adrià, was er schreibe, sei uninteressant, farblos, vorhersehbar, überflüssig; letzten Endes war Adrià an allem schuld.
»Ich bin nahe daran, jede Art von Beziehung zu dir abzubrechen. Ich kann unausstehliche Leute nicht ausstehen. Das ist die erste und letzte Verwarnung.«
Zum ersten Mal, seit er Xènia kannte, sah er ihr in die Augen und hielt ihrem nachtklaren schwarzen Blick stand.
»Ich kann es nicht ausstehen, unausstehlich zu sein. Entschuldige.«
»Arbeiten wir weiter?«
»Nur zu. Und danke für die Verwarnung.«
»Die erste und letzte.«
Ich liebe dich, dachte er. Er würde wohl perfekt sein müssen, wenn er noch ein paar Stunden in diese wundervollen Augen sehen wollte. Ich liebe dich, dachte er noch einmal.
»Wie fühlt man sich als schreibender Musiker?«
Ich bin dabei, mich in deine Dickköpfigkeit zu verlieben.
»Man fühlt sich … Ich fühle mich … wie in zwei Welten, und ich finde es verwirrend, nicht zu wissen, welche mir mehr bedeutet.«
»Ist das denn von Bedeutung?«
»Ich weiß es nicht. Tatsache ist …«
An diesem Abend bestellten sie kein Taxi. Doch zwei Tage später fasste sich Bernat ein Herz und besuchte seinen Freund Adrià. Caterina, schon im Mantel, öffnete ihm die Tür, und ohne ihn auch nur Atem schöpfen zu lassen, flüsterte sie, er ist nicht gut beieinander.
»Warum?«
»Ich musste ihm die Zeitung von gestern wegnehmen.«
»Warum?«
»Weil er es fertigbringt, dreimal dieselbe Zeitung zu lesen, wenn ich nicht aufpasse.«
»Ach …«
»Er ist ein so arbeitsamer Mann, und ich kann es gar nicht mitansehen, wie er seine Zeit vertut und immer wieder dasselbe liest, verstehen Sie mich?«
»Gut gemacht.«
»Was heckt ihr beiden denn da aus?«
Sie wandten sich um. Adrià war aus dem Arbeitszimmer gekommen und hatte sie bei ihrer leisen Unterhaltung ertappt.
Rsrsrsrsrsrsrs.
Und während Adrià mit Bernat ins Arbeitszimmer ging, öffnete Caterina Plàcida die Tür, was sie einer Antwort auf die Frage enthob. Auf der Schwelle tuschelten die beiden Frauen weiter, nachdem Caterina laut gerufen hatte, bis morgen, Adrià!
»Was treibst du so, Bernat?«
»Tippen, wann immer ich Zeit finde. Ich komme nur langsam voran.«
»Kannst du alles entziffern?«
»So einigermaßen. Es gefällt mir sehr gut.«
»Warum sagst du ›so einigermaßen‹?«
»Weil du die reinste Apotherklaue hast und obendrein winzig klein schreibst. Ich muss jeden Absatz mehrmals lesen, um sicherzugehen.«
»Oje, das tut mir leid.«
»Nein, nein, nein … Ich tue es doch gern. Aber ich komme natürlich nicht jeden Tag dazu.«
»Ich mache dir eine Menge Arbeit, was?«
»Aber nein, nicht der Rede wert.«
»Guten Abend, Adrià«, sagte eine unbekannte junge Frau, die lächelnd den Kopf ins Arbeitszimmer streckte.
»Hallo, guten Abend.«
»Wer ist das?«, flüsterte Bernat verwundert, als die Frau wieder gegangen war.
»Die … Dingsbums. Sie lassen mich jetzt weder bei Tag noch bei Nacht allein.«
»Ach so.«
»Hier geht es zu wie auf der Rambla, kann ich dir sagen.«
»Ist doch besser, wenn du nicht allein bist, oder?«
»Ja. Ein Glück, dass ich Lola Xica habe, die organisiert das alles.«
»Caterina.«
»Was?«
»Nichts, schon gut.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann fragte Bernat ihn nach seiner Lektüre, und Adrià blickte um sich, berührte das Buch auf dem Lesetisch und machte eine fahrige Geste, die Bernat nicht zu interpretieren wusste. Er stand auf und griff nach dem Buch.
»Au weia, das ist ja
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