Das Schweigen meiner Mutter
dicht nebeneinander, Jakob ringt nach Luft, jeder Atemzug fällt schwer, die Luft dringt kaum durch seine Nasenlöcher, seine Füße sind kalt, sein Körper zittert, er versucht seinen Husten zu ersticken.
Helenas Gedanken wandern zur Hölle.
So feiern Juden aus Polen, fasste ich das Ereignis zusammen, das ich zu meinem eigenen Erstaunen aus dem Schatz von Geschichten gezogen hatte, die ich mir in meiner Kindheit selbst erzählt hatte. Ich suchte in meiner Erinnerung nach weiteren Geschichten, aber ein verbrannter Geruch aus der Küche ließ mich aufspringen.
»Das
kichl
«, schrie ich.
Der Geruch brachte mir auch den dazugehörigen Geschmack und Ausspruch zurück. »Buchenwald-Delikatessen«, pflegte meine Mutter zu sagen, wenn sie gelassen den Backtopf vom Gas nahm, den verkohlten Klumpen aus ihrem »Wundertopf« holte und dann mit geübter Hand und einem scharfen Messer die angebrannte Schicht abkratzte, um wenigstens das Herzstück zu retten.
»Buchenwald-Delikatessen«, murmelte auch ich jetzt und betrachtete den verkohlten Kuchen, den ich aus dem Backofen geholt hatte.
Mein Mann, der gerade nach Hause kam, fragte, ob ich ein Lagerfeuer in der Küche gemacht hätte.
»Kühl weht der Wind, gebt Holz dem Feuer noch geschwind«, summte er vergnügt.
»Es brennt, Brüder, es brennt, der Mohnkuchen brennt«, hielt ich mit meiner Liedversion für dieses Ereignis dagegen.
Dann stellte ich den Kuchen auf einen Teller und kratzte die verbrannte Schicht ab.
»Was ist das?«, fragte mein Mann belustigt, während er zuschaute, wie ich den Kern des Kuchens herausschälte.
»Das
kichl
meiner Mutter«, sagte ich.
Er lachte. Ich fuhr mit der Kratzerei fort, und manchmal warf ich einen Blick aus dem Küchenfenster auf die Stadt draußen, auf das Leben, das durch ihre Adern floss, ich lauschte dem Hupen der Autos, der Sirene eines Krankenwagens, sah den rauchenden Schornstein des Kraftwerks Reading. Ich gab den Kuchen nicht auf, ich kratzte eine Schicht nach der anderen ab, versuchte zu retten, was zu retten war, bis ich zuletzt gezwungen war, doch den ganzen verkohlten Klumpen in den Mülleimer zu werfen.
Am nächsten Morgen buk ich einen anderen Mohnkuchen, ohne Brandy und ohne Äpfel, und mit diesem Kuchen fuhr ich zu Dorit.
3
GEGEN MITTAG STAND ICH vor dem Tor im Emek. Dort wartete Dorit auf mich. Sie stand da, in Jeans, T-Shirt und Sandalen, hochgewachsen und in aufrechter Haltung. Der Zopf hing in seiner ganzen Pracht über ihre Schulter, und auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln.
Ich schaute um mich, betrachtete die Oliven-, Zitronen-, Granatapfel- und Feigenbäume, die sich weit erstreckenden Obstplantagen, die Gästezimmer: eine Reihe von sieben Holzhäuschen, von Rasen umgeben, und ich atmete die frische, klare Luft tief ein.
Dorit umarmte mich und schlug vor, wir sollten uns unter den Olivenbaum im Garten setzen. Ich stellte den Mohnkuchen, den ich für sie gebacken hatte, auf den Tisch. Dorit lief in die Küche, um ein Messer und Teller zu holen.
»Worüber unterhält man sich eigentlich während der Schiwa?«, hatte mich Dorit vor vielen Jahren einmal gefragt.
Wir hatten vor Chajales Haus gestanden, nachdem einer ihrer Väter gestorben war, und nicht gewagt, hineinzugehen.
»Man macht ein trauriges Gesicht und schweigt«, hatte ich geantwortet.
»Uff«, sagte sie.
»Es gibt auch Kuchen«, erinnerte ich sie an die guten Seiten einer Schiwa.
»Klar«, erwiderte sie verächtlich, »den Mohnkuchen deiner Mutter. Hoffentlich hat Fejge schon ihre
rogelach
gebracht.«
»Du stehst ja eher auf
rogelach
«, sagte ich, als Dorit den Mohnkuchen aufschnitt, den ich mitgebracht hatte. Sie lächelte. Dann schwiegen wir lange. Ich war allmählich schweißbedeckt. Ameisen, dachte ich, diesmal bin ich es, die Ameisen braucht. Einen Moment lang bereute ich, überhaupt gekommen zu sein. Erst als ich die Fotoalben bemerkte, die auf dem Tisch lagen, beruhigte ich mich.
Ich nahm ein Album und blätterte darin. Mein Blick wanderte rasch über die Fotos aus dem Kindergarten, über die Familienfotos, über ihre und meine Erinnerungen. Ich sah Fejge und Itta, die bei der Segnung des Weins am gedeckten Schabbattisch standen und einander sehr ähnlich sahen: das gleiche Lächeln, die gleiche Größe und Körperhaltung, nur dass Fejge einen fuchsigen Blick hatte und Itta einen erschrockenen. Und Itta hatte kleine Brüste, während bei Fejge die ganze Front nur aus Busen bestand.
»Wann machst du endlich mal ein
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