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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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welche Akten sich in diesem Raum be-
    fänden.
    Es waren Dutzende von Ordnern, vergilbte gelbe
    Ordner, die eine Fülle sehr sorgsam zusammengestellten
    Materials enthielten. Joentaa hatte an Ketola gedacht,
    daran, dass Ketola vor einer Ewigkeit diese Ordner
    angelegt hatte.
    Er hatte sich bei Päivi bedankt, die Ordner in einem
    alten Karton in den dritten Stock gebracht und sich
    einen ersten Überblick verschafft, bevor er mit Sund-
    ström zum Fundort des Fahrrads gefahren war.
    Der gemeldete Fundort stimmte mit dem damaligen
    Tatort überein, und der Name auf dem Kreuz war tat-
    sächlich der Name des Mädchens in den alten Akten.
    Niemi und seine Kollegen hatten konzentriert gearbei-
    tet. Joentaa hatte die Sonne im Nacken gespürt und die
    Inschrift auf dem Kreuz gelesen. Pia Lehtinen. Getötet

1974.
    »Guck dir das mal an, Kollege«, hatte Sundström ge-
    sagt und auf Niemi gedeutet, der einige Meter entfernt
    gestanden hatte. Sie waren vorsichtig nähergetreten,
    und Niemi hatte auf die Schwelle zwischen dem erdigen
    Boden und dem beginnenden Asphalt des Fahrradwegs
    gedeutet, auf die feine Blutspur.
    »Als sei jemand am Boden entlang geschleift worden.
    Bis an den äußeren Rand des Fahrradweges, dann endet
    die Spur«, hatte Niemi gesagt.
    Kimmo hatte genickt und sich an die Rekonstruk-
    tion des Hergangs in den Akten erinnert. Auch damals
    war Blut gesichert worden, und die Rekonstruktion be-
    sagte, dass der Täter Pia Lehtinen in seinen Wagen ge-
    legt und anschließend in einem See versenkt habe. In
    dem See, in dem die Tote dann Monate später gefunden
    worden war und an dessen Ufer Sundström, Grönholm
    und er jetzt standen, während Taucher den Grund nach
    der Leiche eines noch namenlosen Mädchens absuch-
    ten.
    »Vielleicht gibt es das Mädchen nicht«, sagte
    Grönholm gerade. »Vielleicht stellt sich das Ganze als
    Scherz heraus.«
    Kimmo nickte.
    »Es wäre natürlich ein merkwürdiger Scherz«, fügte
    Grönholm an. »Aber wir haben bisher nur ein Fahrrad,
    das zufällig neben diesem Kreuz gefunden wurde, und
    die Sporttasche.«
    »Und Spuren eines Kampfes. Und eine Blutspur, jun-
    ger Freund«, sagte Sundström.
    »Tja«, sagte Grönholm.
    Kimmo Joentaa hörte kaum zu. Er dachte darüber
    nach, was es bedeuten würde, wenn die Parallelen zwi-
    schen damals und heute hier enden würden. An diesem
    See. Es gab Dutzende anderer Seen in der Umgebung.
    Seen, die sie absuchen mussten. Wobei Grönholm letzt-
    lich recht hatte, aber Joentaa hielt es gleichzeitig für absurd, an einen Scherz zu glauben. Was sollte das für ein
    Scherz sein? Was war das Ganze überhaupt? War nach
    dreiunddreißig Jahren derselbe Täter zurückgekehrt,
    um am gleichen Ort das Gleiche zu tun? Wenn ja, was
    war dann in diesen Mann gefahren?
    »Ich ...«.beganner.
    »Ja?« fragte Sundström.
    »Ich verstehe die ganze Sache noch nicht«, sagte
    Kimmo.
    »Ha! Glückwunsch, Kollege!« sagte Sundström.
    Joentaa wusste nicht, was Sundström damit sagen
    wollte, und Sundström fuhr fort: »Was wir jetzt brau-
    chen, Freunde, ist die verdammte Mädchenleiche.«
    Grönholm und Joentaa tauschten einen kurzen
    Blick.
    »Wie wäre es alternativ mit dem unversehrten, ge-
    sunden Mädchen?« fragte Grönholm, aber Sundström
    schien gar nicht zu bemerken, dass Grönholm damit auf
    seine Äußerung anspielte.
    Die Taucher tauchten ab und wieder auf, nichts tat
    sich. Sundström hatte in Abstimmung mit Nurmela
    schon am Nachmittag die Medien informiert. Joentaa
    hielt das für richtig. Auch die Entscheidung, sofort und
    gezielt den See abzusuchen, in dem damals Pia Lehtinen
    gefunden worden war, leuchtete ein, wenngleich Kim-
    mo begann, sich zu fragen, ob es Sinn ergab, nach einer
    Leiche in diesem See zu suchen, wenn die Möglichkeit
    bestand, dass die Verschwundene sich noch lebend an
    einem anderen Ort befand. Wenn es eine Verschwun-
    dene gab.
    Der Klingelton des Mobiltelefons riss ihn aus seinen
    Gedanken. »Tuomas hier«, sagte Heinonen. »Ich habe
    das Mädchen gefunden.«
    Kimmo spürte ein Stechen im Magen. »Das ist ja ...«
    »Nein, entschuldige, ich meine ... ich weiß vermut-
    lich, wer sie ist«, sagte Heinonen.
    »Ach so«, sagte Kimmo.
    »Ein Kalevi Vehkasalo hat angerufen und erklärt, das
    in den Nachrichten gezeigte Fahrrad gehöre seiner
    Tochter, und seine Tochter sei heute nicht nach Hause
    gekommen.«
    »Und er war ganz sicher in Bezug auf das Fahrrad?«
    »Ja, deshalb denke ich, es ist wichtig. Es war ja

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