Das Schweigen
immer mal wieder einem Menschen
dieses Namens begegnet, erst vor einigen Monaten hatte
er ein Objekt eines Pärssinen vermittelt, ein schmuckes
Haus in Vantaa, ganz nah am Flughafen Helsinki gele-
gen und doch ohne jeden Fluglärm. Ein wunderbares
Haus, und der Name Pärssinen war nicht mehr als eine
Randnotiz in seinen Unterlagen gewesen.
Marjatta, Laura und Aku. Sie waren ihm nah, er
würde nur Sekunden brauchen, um bei ihnen zu sein,
und das war gut zu wissen, das war ein Wissen, das ihn
ein wenig beruhigte.
Der Name war Pärssinen gewesen.
Er konnte sich an das Aussehen des Mannes nicht er-
innern, er hatte in den Tagen und Wochen danach viel
Zeit damit verbracht, Pärssinen in einer Weise aus
seiner Erinnerung zu entfernen, die keine Spuren
hinterließ. Es war ihm gleich zu Beginn klar gewesen,
dass Pärssinen der Schlüssel war, denn sobald dieser
Mann nie existiert hatte, war auch alles andere hinfällig.
Das hatte funktioniert. Es hatte funktioniert, weil er es
so gewollt hatte. Weil er begriffen hatte, dass es eine
andere Möglichkeit nicht gab.
Nichts hatte Bestand, wenn man die Verbindung ab-
brach. Wenn man sich entschloss, wenn man sich wirk-
lich entschloss, blieb nichts übrig, das wusste er seit-
dem, das wusste er besser als jeder andere.
Es hatte funktioniert, und jetzt war es vorbei. So ein-
fach war das. So einfach ließ es sich auf den Punkt brin-
gen, und er empfand für einen Moment eine Art Zu-
friedenheit, weil es ihm endlich gelungen war, weil er
endlich allein war und nachdenken konnte.
Er schloss die Augen und spürte, wie Pärssinen in
seinem Hirn wieder zum Leben erwachte. Alles, was
Pärssinen gewesen war. Er ließ es geschehen, denn es
war unvermeidbar. Er lehnte sich zurück und ließ es
geschehen.
Pärssinen. Ein untersetzter, kräftiger Mann mit einem
kugelrunden Gesicht und schütterem Haar. Er hatte
schon einige Monate in dem grauen Haus am Rand der
Stadt gelebt, als Pärssinen als Hausmeister angestellt
wurde und die Wohnung im Erdgeschoss bezog.
Einige Zeit hatten sie sich flüchtig gegrüßt, der Som-
mer hatte begonnen und die Semesterferien. Er hatte
mit Büchern auf seinem Balkon gesessen, ein wenig ge-
lesen und ein wenig den Kindern beim Spielen zuge-
sehen, und Pärssinen hatte Hecken gestutzt und die
Rasenflächen der Wohnanlage gemäht.
Dann, an einem dieser Tage, hatte Pärssinen ihn an-
gesprochen. Hatte gesagt, dass er ihn beobachtet habe
und dass er einen Blick besitze für gewisse Dinge, die an-
deren verborgen blieben. Er erinnerte sich. Ganz genau
erinnerte er sich. Jetzt kehrte also alles zurück. Er
spürte, wie es in ihn eindrang. Nicht nur die Erinnerung
an dieses Gespräch, sondern auch die Erinnerung an das,
was er empfunden hatte. Pärssinen hatte nichts weiter
sagen müssen, denn er hatte sofort begriffen. Er hatte in
Pärssinens Augen sich selbst gespiegelt gesehen, hatte
gesehen, was niemand wusste, was niemand wissen
konnte, Pärssinen nicht und am allerwenigsten er selbst,
und er hatte begriffen, dass Pärssinen es einfach, gegen
jede Logik, gesehen hatte, und er hatte den Augenblick
des Begreifens und den Augenblick danach als unge-
heure, zutiefst beängstigende Erleichterung empfun-
den.
Pärssinen hatte ruhig, in gewisser Weise sogar
freundlich gelächelt und ihn zu sich hereingebeten.
So hatte es angefangen, und jetzt kehrte also die Er-
innerung zurück, jetzt kehrte alles zurück, er betrachtete den Satz, den sein Sohn ins Holz eines Tisches geritzt hatte, und sah wieder den flirrenden Projektor, die
zugezogenen Jalousien, die Sonnenflecken am Boden,
die Filme ... Pärssinen, der Filmrollen aus einem Regal
zog ... dieser eine Film, den er immer wieder hatte
sehen wollen, seine Lieblingsszene in diesem ... Film,
seine Hand an seinen Schenkeln, und Pärssinen lachte,
als er es sah, und dann hatte er mitgelacht und sich zum
ersten Mal in seinem Leben frei gefühlt, vollkommen
frei, und Pärssinen hatte zurückgespult, bis das Mädchen
wieder auf der Bettkante gesessen hatte, den Kopf ge-
senkt, die Hand an einem fetten Penis auf und ab bewe-
gend, und dann hatte das Mädchen den Kopf gehoben
und in die Kamera geblickt, und er hatte ein wunder-
schönes fremdes Gesicht gesehen, hatte sich ein wenig
aufgerichtet, die Hose ganz geöffnet, leise aufgeschrien
und auf Pärssinens Fußboden ejakuliert.
Pärssinen hatte gelacht.
Er hörte sich stöhnen. Er schwitzte. Ihm
Weitere Kostenlose Bücher