Das Schweigen
aufgesprungen, hielt auf hal-
bem Weg inne und setzte sich wieder. »Das ist Unsinn.
Es ist wichtig, dass ihr euch auch auf das konzentriert,
was wir damals ermittelt haben. Dass ihr da zumindest
ein Auge daraufhabt. Ihr müsst das unbedingt mit ein-
beziehen. Ihr müsst immer vor Augen haben, dass es
derselbe Täter ist, denn alles andere ist Unsinn.« Er
sprach jetzt wieder ruhig, aber eindringlich. »Ich werde
Sundström meine Hilfe anbieten. Beim Sichten der
alten Akten.«
Kimmo nickte. Er hielt das für eine gute Idee, auch
wenn er Ketolas Einschätzung nicht teilte. Nicht ohne
Weiteres. Er wusste einfach nicht, was passiert war. Er
wusste nur, dass Kalevi und Ruth Vehkasalo sicher kei-
nen Schlaf gefunden hatten, und er fürchtete, dass ihre
Tochter nicht mehr lebte.
»Wie geht ihr weiter vor? Ich nehme an, ihr werdet
zeitnah den See absuchen... in dem wir damals Pia Leh-
tinen gefunden haben.«
»Haben wir schon. Ohne ... ohne Erfolg, wollte ich
sagen ... mit Erfolg ist besser, wir haben sie nicht gefunden. Bisher nicht, die Suche wird fortgesetzt.«
»Hm, da habt ihr schnell reagiert. Erstaunlich, noch
bevor ihr die Vermisste identifiziert hattet?«
»Das Fahrrad lag direkt neben dem Kreuz, das an Pia
Lehtinen erinnert. Ich hatte Sundström den Zusam-
menhang geschildert, und er hat umgehend die Suche
in Gang gesetzt. Er reagiert immer ziemlich schnell, oft
nach Gespür. Recht häufig vergisst er ganz, sich mit
Nurmela abzusprechen.«
Ketola schien kaum zugehört zu haben, denn sein
Lächeln kam mit Verzögerung. »Sympathisch«, sagte er
dann.
»Ich werde gleich zu den Eltern des verschwundenen
Mädchens fahren. Die Mutter ist gestern Abend zusam-
mengebrochen ... ich habe mir, bevor ich zu dir kam,
von Niemi die Sporttasche geben lassen, die wir gefun-
den haben ... ich will sie den Eltern zeigen, vielleicht ist es ja doch nicht die ihrer Tochter ...«
»Tja ... zusammengebrochen ...« murmelte Ketola.
»Ich komme mit.«
»Was meinst du?«
»Ich kommen mit. Zu den Eltern. Ich gehe natürlich
nicht mit rein, aber ich möchte mitkommen, da kannst
du ja nichts dagegen haben, ich warte draußen. Ich
möchte dann sowieso noch mit Sundström reden. Ich
möchte da jetzt meinen Teil beitragen, das musst du
doch verstehen ...«
Kimmo nickte. »Ja, sicher.«
»Gib mir fünf Minuten«, sagte Ketola und stand auf,
bevor Joentaa Gelegenheit hatte, gegenzureden. Wenig
später stand Ketola in der Tür, bereit zu gehen. Er trug
das grüne Jackett, das er an vielen seiner Arbeitstage ge-
tragen hatte, unabhängig von der Jahreszeit. Grönholm
hatte vermutlich zu Recht gemutmaßt, dass er zehn bis
zwanzig dieser identischen Jacketts in seinem Kleider-
schrank hängen hatte.
Sie traten ins Freie. Es würde ein heißer Tag werden.
Im Nachbargarten sprang ein Mädchen in ein Schwimm-
bad.
»Ich fahre mit meinem Wagen«, sagte Ketola.
Kimmo nickte.
»Ach, übrigens ...« sagte Ketola.
»Ja?«
»Wie heißt das vermisste Mädchen?«
»Sinikka Vehkasalo«, sagte Joentaa.
Ketola sah ihn eine Weile an und nickte vor sich hin.
»Sinikka Vehkasalo ... gut, gut ...« Kimmo hatte den
Eindruck, dass er irgend etwas ganz Bestimmtes aus-
sprechen wollte, aber dann lächelte er nur schwach und
winkte ab. »Pia Lehtinen und jetzt also Sinikka Veh-
kasalo ... ich fahre hinter dir her«, sagte er und ging zu seinem Wagen.
2
Das hellgrüne Haus wirkte verlassen.
Joentaa warf einen Blick über die Schulter und sah,
dass Ketola in einiger Entfernung geparkt hatte und sit-
zen blieb. Er hatte während der Fahrt überlegt, ob er Ke-
tola doch bitten sollte, bei dem Gespräch mit den Eltern
dabei zu sein, und sich eigentlich dagegen entschieden.
Jetzt, einem Impuls folgend, winkte er ihm zu, um ihm
zu signalisieren, mitzukommen. Ketola stieg aus, sah
ihn fragend an und lief ihm schnell entgegen.
Es sprach nichts dagegen und einiges dafür, dachte
Joentaa. Vermutlich hätte erzuvormit Sundström spre-
chen sollen, aber dafür war jetzt keine Zeit.
Ketola war damals einer der Ermittler gewesen, und
auch wenn sie nicht wussten, was passiert war, war be-
reits jetzt abzusehen, dass ein Zusammenhang bestand.
Ketola konnte, im Wissen um die damaligen Ermittlun-
gen, vielleicht aus der Erinnerung heraus, etwas bemer-
ken, was anderen verborgen blieb. Es war gut, dass er
dabei war.
»Ich soll mitkommen?« fragte Ketola.
»Ich glaube, es wäre gut. Wenn es dir recht
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