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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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»Sie kam gegen eins
    nach Hause und war natürlich guter Laune, weil ja ges-
    tern die Ferien angefangen haben. Sie wollte gleich wie-
    der los ... aber ich wollte noch über das Zeugnis reden ...
    weil sie ... weil ihr Klassenlehrer uns vor einigen Tagen
    im Elterngespräch gesagt hat, dass sie häufig fehlt... was wir nicht gewusst hatten ... also habe ich wieder versucht, mit ihr zu reden, aber das ging ja nicht, das war ja nicht möglich ... am Ende habe ich es nicht mehr ausgehalten
    und sie angeschrien ... und dann ist sie in ihr Zimmer
    gegangen ... sie war ganz ruhig, hat mich aber nicht mehr
    angesehen ... sie wollte eigentlich zu einer Freundin und
    von dort zum Volleyball...« Sie brach ab und sah einige
    Sekunden ihren Mann an, bevor sie fortfuhr:
    »Magdalena spielt ja auch in der Volleyballmannschaft,
    daher kennen sie sich. Hätte ich Sinikka schon am
    Mittag gehenlassen, wären sie zu zweit zum Training ge-
    fahren ... dann wäre alles ganz anders gekommen!!« Sie
    hatte sich aufgerichtet und die letzten Worte geschrien.
    Ketola saß noch immer reglos, aber Kimmo hörte ihn
    in Abständen schwer atmen.
    »Können Sie mir den Namen und die Anschrift der
    Freundin geben?« sagte Joentaa.
    Kalevi Vehkasalo schüttelte den Kopf.
    »Magdalena Nieminen. Sie wohnt nicht weit von hier.
    Helmenkatu. Die Nummer weiß ich nicht«, sagte Ruth
    Vehkasalo.
    »Welche Schule hat Ihre Tochter besucht?« fragte
    Joentaa.
    »Das Hermanni-Gymnasium«, sagte Kalevi Vehka-
    salo.
    Joentaa nickte. »Sie ist dann also zum Training gefah-
    ren. Haben Sie davor noch miteinander gesprochen?«
    »Nein ...« Ruth Vehkasalo betrachtete die Pralinen in
    der Schale. »Nein, Sinikka hat die Musik laut auf-
    gedreht und sich eingeschlossen. Ich habe ein paar Mal
    angeklopft, aber sie kam erst raus, als sie zum Training
    fuhr. Wir haben kein richtiges Wort mehr gewechselt ...
    eigentlich gar keines, sie hat nur gesagt, dass sie jetzt
    geht, und mich so angesehen ... ich glaube, sie wollte
    testen, ob ich versuche, ihr das auch noch zu verbieten,
    und hätte ich es getan, wäre sie trotzdem gegangen.«
    »Wissen Sie noch die genaue Uhrzeit?«
    »Etwa halb drei, das Training begann um halb vier und
    sie musste ja ein bisschen fahren und sich dort noch
    umziehen. Sie ist immer etwa eine Stunde vorher losge-
    fahren.«
    »Und das war auch gestern so?«
    Ruth Vehkasalo nickte.
    »Was genau hatte sie an?« fragte Joentaa.
    Ruth Vehkasalo dachte eine Weile nach. »Eine rote
    Short-Hose und ein hellgrünes T-Shirt. Und ... grüne
    Schuhe, Turnschuhe ... oder so eine Mischung aus
    Turnschuhen und Straßenschuhen. Ja ... das hatte sie
    an ... und ihre Sporttasche hatte sie dabei ... aber die
    haben sie ja schon gefunden ...«
    »Hat sie ... gestern oder auch in den vergangenen
    Wochen, vielleicht sogar in den vergangenen Monaten ...
    etwas gesagt, das Ihnen rückblickend wichtig erscheint.
    Etwas, das Sie verwundert hat oder einfach etwas, das
    Ihnen in Erinnerung geblieben ist...«
    Beide schüttelten den Kopf.
    »Dennoch möchte ich Sie bitten, darüber weiter
    nachzudenken ... vielleicht fällt Ihnen noch etwas
    ein ... hat sie einen Freund?«
    »Einen?!« Kalevi Vehkasalo lachte auf, und einen Mo-
    ment später sah Joentaa die ganze überspielte Verzweif-
    lung in seinem Gesicht. Er räusperte sich. »Sie ist sehr ...
    ich habe sie in dieser Hinsicht seit einiger Zeit nicht so ganz verstanden«, sagte er.
    »Sie ist ja erst vierzehn«, sagte Ruth Vehkasalo. »Sie
    hat schon häufiger ... Bindungen gehabt, aber sie hat
    uns nie jemanden vorgestellt, und es waren wohl
    immer nur ... kurze Episoden ... ich wollte mal mit ihr
    darüber reden ... über ... dieses Thema, aber sie hat ge-
    lacht und gesagt, dass ich ihr da nicht mehr viel erklä-
    ren könnte ...«
    Vehkasalo beugte sich vor. »Entschuldigung, aber was
    soll das jetzt? Was spielt denn das hier für eine Rolle?!«
    »Könnten wir ihr Zimmer sehen?« fragte Joentaa.
    Vehkasalo setzte zu einer Entgegnung an, aber dann
    nickte er nur. Er führte sie über die Treppe in den Keller hinunter, der sich als ausgebaute Souterrain-Wohnung
    entpuppte.
    »Sinikka hat diese Etage für sich gehabt. Bis auf die
    Waschküche natürlich«, sagte Vehkasalo. »Und das ist
    ihr eigentliches Zimmer.« Er öffnete behutsam die Tür
    und schien zu erwarten, dass Sinikka dort war und sich
    gestört fühlen würde.
    Das Zimmer war leer und still. Vehkasalo machte eine
    unbeholfen einladende Geste und trat

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