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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Sache konfrontiert, das Mäd-
    chen war noch jünger, es wurde schnell aufgeklärt. Ein
    Familienangehöriger ... der Stiefbruder, genau gesagt ...
    aber vielleicht gab es Fälle in anderen Städten ... Fälle, von denen ich nie gehört habe ... und vor allem Vermisstenfälle, vielleicht auch in Turku, die ich vielleicht nie zu Gesicht bekommen habe ... irgendwann hatte ich
    die Sache ja vergessen ...«
    Ketola trank einen Schluck und betrachtete zwei
    uniformierte Polizistinnen am Nebentisch. Irgendwann
    blickten sie fragend zu ihnen herüber, und Ketola wen-
    dete sich ab. Er räusperte sich und fragte: »Würdest du
    mich ... ein wenig auf dem Laufenden halten?«
    Joentaa schwieg.
    »Ich rufe dich an. Heute Abend vielleicht«, sagte
    Ketola.
    Joentaa nickte.
    »Mein Sohn übrigens«, sagte Ketola.
    »Dein Sohn ...«
    »Er heißt Tapani. Er ist ... vollkommen verrückt. Ein
    kompletter Spinner.«
    »Was ...«
    »Ich wollte dir das sagen. War mir plötzlich wichtig.«
    Er trank in einem Zug den Kaffee aus und erhob sich. »Ja
    ... ich melde mich einfach«, sagte er. »Bis dann. Und ...
    wenn du möchtest, irgendwann ... können wir auch mal
    reden ... über dich ... und deine ... über Sanna ...«
    Joentaa nickte.
    »Nur wenn du willst, natürlich«, sagte Ketola und
    ging, ohne nochmal zurückzusehen.

    4

    Kalevi Vehkasalo sah dem Bleistift dabei zu, wie er vom
    Schreibtisch Richtung Boden fiel. Ein angenehmer Mo-
    ment. Ein Moment, in dem sich nur ein Bleistift bewegte
    und die Zeit still stand.
    Er bückte sich, hob den Stift auf, und als er wieder
    auf den Bildschirm blickte, waren vier neue E-Mails
    hinzugekommen.
    So ging es schon den ganzen Vormittag. Alle Nach-
    richten mit einem ähnlichen Text in der Betreff-Zeile.
    Probleme mit dem System. Eine Art Kommunikations-
    System. Jenes System, das er entwickelt hatte und des-
    sen Fortentwicklung eigentlich heute in verschiedenen
    Filialen eines weltweit operierenden Herstellers von Ra-
    sierapparaten ans Netz hatte gehen sollen. Was offen-
    sichtlich nicht besonders gut funktioniert hatte.
    Probleme aus aller Welt, weil Ville, sein engster Mit-
    arbeiter und bester Programmierer, versagt hatte. Er
    wusste es schon, denn Ville war gleich am Vormittag zu
    ihm gekommen und hatte gesagt, dass er mit Riska und
    Oksanen das ganze Wochenende durchgearbeitet hätte
    und dass der Zeitrahmen einfach zu eng bemessen ge-
    wesen sei.
    »Frankreich und Italien haben wir hinbekommen.
    Der Rest hat nicht geklappt«, hatte Ville gesagt.
    Kalevi Vehkasalo hatte genickt und gespürt, dass es
    natürlich ein unmögliches Gespräch war, ein Gespräch,
    das einfach nicht geführt werden konnte, und er hatte
    gespürt, dass Ville genau dasselbe dachte, und sie hatten
    eine ganze Weile vollkommen unmögliche, nicht aus-
    zusprechende Worte gewechselt.
    Ville wusste Bescheid. Ville wusste, dass Vehkasalos
    Tochter verschwunden war, spurlos verschwunden, von
    einem Irren getötet, und Vehkasalo hatte versucht, sich
    vorzustellen, wie Ville mit den Kollegen ein ganzes Wo-
    chenende lang gearbeitet hatte, in dem Wissen, dass die
    Tochter des Inhabers dieser Firma in den Nachrichten
    lief und das System für den Hersteller von
    Rasierapparaten ohnehin nicht mehr rechtzeitig
    installiert werden konnte.
    Er hatte also genickt und gesagt, dass Ville sich keine
    Gedanken machen müsse.
    Es werde sich alles regeln.
    Auf dem Bildschirm waren weitere drei Nachrichten
    hinzugekommen. Die meisten Betreff-Zeilen endeten
    mit einem Fragezeichen. Er würde eine Antwort formu-
    lieren müssen. Das Gute war, dass er allen dasselbe
    sagen konnte. Kleine Verzögerung, ansonsten alles in
    bester Ordnung. Wir arbeiten dran. Bis die Tage.
    Er begann zu tippen und spürte ein Rauschen, wie
    eine Welle. Kaum möglich, hier, in seinem trockenen
    Raum. Er stand auf. Durch das Fenster konnte er den
    Marktplatz sehen. Durch die Glastür seine Mitarbeiter,
    die an der Installation des Systems arbeiteten. Die
    Blicke gesenkt. Ville hatte am Ende ihres Gespräches
    gefragt, ob ... er wusste schon gar nicht mehr, was Ville
    gesagt hatte. Es hatte mit Sinikka zu tun gehabt, und
    auch ein oder zwei andere hatten Sinikka angesprochen.
    Mit den meisten hatte er kein Wort gewechselt.
    Die Welle war in seinem Kopf. Er stand am Meer, be-
    trachtete die blaue Fläche. Harte Zeiten, dachte er. Für
    die Firma. Überhaupt, alles in allem.
    Villes Blick traf seine Augen. Ville wendete sich sofort
    ab, und Kalevi Vehkasalo fand,

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