Das Schweigen
sagte
Grönholm.
Dann schwiegen beide.
»Ja, was denn nun?« fragte Sundström.
»Marika Paloniemi«, sagte Heinonen.
»Aha.«
»Sie ist 1983 verschwunden und nie wieder zurück-
gekehrt«, sagte Grönholm. »Im Mai 1983. Sie war damals
sechzehn Jahre alt.«
»Aha«, sagte Sundström.
»In einer Zeugenaussage findet sich ... es kann na-
türlich ein Zufall sein ...«, sagte Heinonen.
»Findet sich was?« fragte Sundström.
»Ein roter Kleinwagen«, sagte Grönholm.
Eine Weile herrschte Schweigen. Joentaa dachte an
Ruth Vehkasalo. An den Moment, in dem er zurück zu
dem grünen Haus geblickt und Ruth Vehkasalo die Ja-
lousien zugezogen hatte.
»Und weiter?« fragte Sundström.
»Nichts weiter«, sagte Heinonen. »Der Zeuge konnte
die Marke des Wagens nicht benennen.«
»Weiter, weiter ... wer war der Zeuge? Wie und wo ist
das Mädchen verschwunden?«
»Nach der Schule. In Paimio, da waren wir also nicht
zuständig ... also, wir ja sowieso nicht, wir haben ja da-
mals noch gar nicht hier gearbeitet ...«
»Ja, ja ... jetzt red doch schon«, sagte Sundström.
»Ja ... außerdem galt es nur als Vermisstensache«,
fuhr Heinonen fort. »Sie ist nicht nach Hause gekom-
men. Sie war immer mit dem Bus gefahren und von der
Haltestelle einige Minuten zu Fuß nach Hause gelaufen.
Und an diesem Tag ...«, er warf einen Blick auf die Un-
terlagen, »... am 23. Mai 1983 ist sie nicht nach Hause
gekommen. Und sie ist, wie Petri schon sagt, nie wieder
aufgetaucht.« Er räusperte sich, vermutlich, weil ihm
der See einfiel, in dem Pia Lehtinen gefunden worden
war und weil ihm die Doppeldeutigkeit des Wortes
bewusst wurde, das er verwendet hatte.
»Der rote Kleinwagen? Der Zeuge?« sagte Sundström.
»Es gab komischerweise keine sonderlich große Er-
mittlung. Weil eben gar kein Hinweis gefunden wurde
... und sie war sechzehn. Es kommt ja vor, dass Sech-
zehnjährige einfach abhauen«, sagte Grönholm.
»Deutete darauf etwas hin?*
»Es erschien zumindest denkbar. Sie hat bei ihrem
Vater gelebt, die Mutter war zwei Jahre zuvor verstor-
ben. Und der Vater war viel unterwegs. Vertreter für ...«, auch Grönholm senkte den Blick auf die Papiere, die vor
ihm lagen, »Vertreter für ... Pharmaprodukte.«
»Und es gibt seit 1983 keine Spur von dem Mädchen
... wie war der Name?«
»Marika Paloniemi. Nein, keine Spur. Verschwun-
den«, sagte Heinonen. »Ja ... und den roten Kleinwagen
hat ein Mitschüler gesehen oder will ihn gesehen haben,
aber er sprach auch von einem hellgrünen VW Polo.«
»Aha«, sagte Sundström.
»Diese beiden Wagen will er an der Bushaltestelle ge-
sehen haben, an der er gemeinsam mit Marika Palo-
niemi ausgestiegen ist. Beide standen in der Nähe, und
in beiden sollen Personen gesessen haben.«
»Und von dieser Bushaltestelle musste das Mädchen
noch fünf Minuten zu Fuß nach Hause laufen?«
Heinonen nickte.
»Und sie ist ganz sicher nicht zu Hause angekom-
men?«
»Das weiß man eben nicht genau, weil der Vater nicht
da war. Es könnte sein, dass sie doch zu Hause war und
dann wieder weg ging und dann nicht mehr zurück-
kehrte«, sagte Heinonen. »Aber als der Vater am Abend
kam, deutete nichts darauf hin, dass sie überhaupt da
gewesen war. Kein benutztes Geschirr zum Beispiel.
Der Vater meinte, sie hätte nie abgespült.«
»Das steht in den Unterlagen?«
Heinonen nickte. »Der Vater konnte sich anschei-
nend gut vorstellen, dass sie einfach weggegangen war.
Er war wohl auch nicht sonderlich traurig darüber.«
»Aha«, sagte Sundström.
»Ja ...«, sagte Heinonen.
»Gab es denn Hinweise darauf? Waren Kleider ver-
schwunden? Dinge, die ihr wichtig waren?«
»Das war wohl schwer zu ermitteln, weil der Vater
keine rechte Ahnung hatte, was seine Tochter über-
haupt besaß. In ihrem Zimmer wurde tatsächlich wenig
gefunden, was in gewisser Weise dafür zu sprechen
schien, dass sie ihre Sachen gepackt hatte und einfach
gegangen war.«
Wieder herrschte Schweigen.
»Natürlich wurde nach ihr gesucht, aber eben ohne
Ergebnis und nicht so richtig ... intensiv«, sagte Heino-
nen.
»Verstehe«, sagte Sundström.
»Es wurde aber, und das ist interessant, eine Liste
erstellt«, sagte Grönholm. »Anscheinend haben sie den
Hinweis des Mitschülers doch ernst genommen ... viel-
leicht weil es mehr oder weniger der einzige war, den sie
hatten, jedenfalls wurde eine Liste erstellt zu den beiden Fahrzeugen, die er gesehen haben wollte.
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