Das Schweigen
Und das hier
ist die Liste mit den Haltern roter Kleinwagen in Turku
und Umgebung.« Grönholm wedelte mit einigen zu-
sammengehefteten Blättern.
»Der Junge hatte den Wagen als knallrot beschrie-
ben, was die Anzahl der Wagen etwas eingrenzte, aber
es sind dennoch mehr als fünfhundert«, sagte Hei-
nonen. Er straffte sich und sprach plötzlich lauter.
»Deshalb wurde damals auch nach einigem Hin und
Her davon abgesehen, die Halter der Fahrzeuge zu
befragen. Aber wir haben jetzt Folgendes gemacht ...
damals, im Zusammenhang mit Pia Lehtinen, wurde
ja auch eine Liste erstellt. Die Halter der Fahrzeuge
wurden sogar sämtlich befragt, aber ohne Ergeb-
nis ...«
»Und ihr habt jetzt also die Liste von 1974 mit der von
1983 verglichen und alle Fahrzeuge angekreuzt, die sich
auf beiden Listen wiederfinden ...«, sagte Sundström.
Heinonen sackte in sich zusammen. »Genau«, sagte er.
»Wunderbar. Wie viele sind es?«
»Zweihundertdrei«, sagte Grönholm. »Aber uns inte-
ressieren ja erst mal die Fahrzeuge, die auch auf beiden
Listen identische Halter haben, da wir ja von ein und
demselben Täter ausgehen, und da bleiben dann noch
hundertvier, und von diesen hundertvier sind achtund-
siebzig Männer.«
»Achtundsiebzig«, murmelte Sundström.
»Ja, leider, und dann muss man noch hinzudenken,
dass auch bei den auf Frauen zugelassenen Fahrzeugen
Männer am Steuer gesessen haben können, die Söhne
zum Beispiel.«
»Natürlich«, murmelte Sundström, und dann wirkte
er plötzlich zuversichtlich und richtete sich auf. »Und
wie viele dieser achtundsiebzig oder hundertvier Men-
schen sind noch am Leben?« fragte er.
»So weit sind wir noch nicht«, sagte Grönholm. »Aber
wir sind dabei, das zu recherchieren, und immerhin
dreiundzwanzig der achtundsiebzig Männer sind ganz
sicher tot.« Er sah triumphierend von einem zum
anderen. »Also ... bei allem Respekt natürlich vor den
Toten, aber das reduziert die Zahl der männlichen
Fahrzeughalter schon auf fünfundfünfzig.«
»Fünfundfünfzig«, sagte Sundström. »Und der eine
oder andere Verblichene könnte noch dazukommen.«
»Genau«, sagte Grönholm. »Wir haben das bis heute
Abend fertig.«
»Schön, schön ...«, sagte Sundström.
»Die fünfundfünzig haben wir schon mal aufge-
listet«, sagte Heinonen und händigte allen ein eng be-
drucktes Blatt Papier aus.
»Jaaaa ...«, sagte Sundström. »Das Problem ist nur,
dass wir weder wissen, ob Marika Paloniemi getötet
wurde, noch, ob das rote Auto, das der Mitschüler gese-
hen haben will, mit der ganzen Sache überhaupt in ir-
gendeinem Zusammenhang steht. Richtig?«
»Richtig«, sagte Grönholm.
»Und selbst wenn es so gewesen sein sollte, ermitteln
wir eigentlich im Fall der seit drei Tagen vermissten
Sinikka Vehkasalo. Richtig?«
»Richtig«, sagte Grönholm.
Joentaa hörte das nur noch nebenbei. Er betrachtete
die Namen auf der Liste. Alphabetisch geordnet.
»Wir verfolgen das dennoch weiter«, hörte er Sund-
ström sagen und bohrte seinen Blick in die Buchstaben,
die Namen ergaben. Fünfundfünfzig Namen. Oksanen,
Orava, Oraniemi, Palolahti, Pärssinen, Peltonen, Seinä-
joki, Sihvonen. Bei diesem Namen stutzte er. Reijo Sih-
vonen. Nicht verwandt und nicht verschwägert. Auch
andere hießen Sihvonen, so wie Sanna Sihvonen gehei-
ßen hatte. Im Hintergrund hörte er Stühle, die gerückt
wurden.
Er musste Sannas Eltern anrufen. Merja und Jussi
Sihvonen. Tag für Tag, Woche für Woche schob er die-
sen Anruf vor sich her, und sie hatten sich auch lange
nicht gemeldet.
Er musste auch seine Mutter anrufen, die ständig
Briefe schrieb, sicher alle zwei Wochen, obwohl er nie
antwortete.
»Wir müssen das weiter verfolgen«, hatte Sundström
gerade gesagt.
Joentaa nickte. »Das denke ich auch«, sagte er, und
hob den Blick.
Die anderen waren schon gegangen.
7
Timo Korvensuo kannte den Weg. Was eigentlich nicht
sein konnte. Es war unmöglich. Er dachte darüber nach,
während er fuhr.
Er wartete auf den Moment, in dem er jemanden
nach der einzuschlagenden Richtung würde fragen
müssen, aber dieser Moment kam nicht, und Korvensuo
hätte auch nicht gewusst, wie er seine Frage hatte for-
mulieren sollen.
Er kannte den Weg. So einfach war das. Wie ein
Schlafwandler fahren. Träume gab es nicht. Das Kreuz
wirkte klein und schmal. Das Feld blühte gelb. So gelb
wie damals. Identisch. Er fuhr daran vorbei. Nicht lang-
sam, nicht
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