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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Und das hier
    ist die Liste mit den Haltern roter Kleinwagen in Turku
    und Umgebung.« Grönholm wedelte mit einigen zu-
    sammengehefteten Blättern.
    »Der Junge hatte den Wagen als knallrot beschrie-
    ben, was die Anzahl der Wagen etwas eingrenzte, aber
    es sind dennoch mehr als fünfhundert«, sagte Hei-
    nonen. Er straffte sich und sprach plötzlich lauter.
    »Deshalb wurde damals auch nach einigem Hin und
    Her davon abgesehen, die Halter der Fahrzeuge zu
    befragen. Aber wir haben jetzt Folgendes gemacht ...
    damals, im Zusammenhang mit Pia Lehtinen, wurde
    ja auch eine Liste erstellt. Die Halter der Fahrzeuge
    wurden sogar sämtlich befragt, aber ohne Ergeb-
    nis ...«
    »Und ihr habt jetzt also die Liste von 1974 mit der von
    1983 verglichen und alle Fahrzeuge angekreuzt, die sich
    auf beiden Listen wiederfinden ...«, sagte Sundström.
    Heinonen sackte in sich zusammen. »Genau«, sagte er.
    »Wunderbar. Wie viele sind es?«
    »Zweihundertdrei«, sagte Grönholm. »Aber uns inte-
    ressieren ja erst mal die Fahrzeuge, die auch auf beiden
    Listen identische Halter haben, da wir ja von ein und
    demselben Täter ausgehen, und da bleiben dann noch
    hundertvier, und von diesen hundertvier sind achtund-
    siebzig Männer.«
    »Achtundsiebzig«, murmelte Sundström.
    »Ja, leider, und dann muss man noch hinzudenken,
    dass auch bei den auf Frauen zugelassenen Fahrzeugen
    Männer am Steuer gesessen haben können, die Söhne
    zum Beispiel.«
    »Natürlich«, murmelte Sundström, und dann wirkte
    er plötzlich zuversichtlich und richtete sich auf. »Und
    wie viele dieser achtundsiebzig oder hundertvier Men-
    schen sind noch am Leben?« fragte er.
    »So weit sind wir noch nicht«, sagte Grönholm. »Aber
    wir sind dabei, das zu recherchieren, und immerhin
    dreiundzwanzig der achtundsiebzig Männer sind ganz
    sicher tot.« Er sah triumphierend von einem zum
    anderen. »Also ... bei allem Respekt natürlich vor den
    Toten, aber das reduziert die Zahl der männlichen
    Fahrzeughalter schon auf fünfundfünfzig.«
    »Fünfundfünfzig«, sagte Sundström. »Und der eine
    oder andere Verblichene könnte noch dazukommen.«
    »Genau«, sagte Grönholm. »Wir haben das bis heute
    Abend fertig.«
    »Schön, schön ...«, sagte Sundström.
    »Die fünfundfünzig haben wir schon mal aufge-
    listet«, sagte Heinonen und händigte allen ein eng be-
    drucktes Blatt Papier aus.
    »Jaaaa ...«, sagte Sundström. »Das Problem ist nur,
    dass wir weder wissen, ob Marika Paloniemi getötet
    wurde, noch, ob das rote Auto, das der Mitschüler gese-
    hen haben will, mit der ganzen Sache überhaupt in ir-
    gendeinem Zusammenhang steht. Richtig?«
    »Richtig«, sagte Grönholm.
    »Und selbst wenn es so gewesen sein sollte, ermitteln
    wir eigentlich im Fall der seit drei Tagen vermissten
    Sinikka Vehkasalo. Richtig?«
    »Richtig«, sagte Grönholm.
    Joentaa hörte das nur noch nebenbei. Er betrachtete
    die Namen auf der Liste. Alphabetisch geordnet.
    »Wir verfolgen das dennoch weiter«, hörte er Sund-
    ström sagen und bohrte seinen Blick in die Buchstaben,
    die Namen ergaben. Fünfundfünfzig Namen. Oksanen,
    Orava, Oraniemi, Palolahti, Pärssinen, Peltonen, Seinä-
    joki, Sihvonen. Bei diesem Namen stutzte er. Reijo Sih-
    vonen. Nicht verwandt und nicht verschwägert. Auch
    andere hießen Sihvonen, so wie Sanna Sihvonen gehei-
    ßen hatte. Im Hintergrund hörte er Stühle, die gerückt
    wurden.
    Er musste Sannas Eltern anrufen. Merja und Jussi
    Sihvonen. Tag für Tag, Woche für Woche schob er die-
    sen Anruf vor sich her, und sie hatten sich auch lange
    nicht gemeldet.
    Er musste auch seine Mutter anrufen, die ständig
    Briefe schrieb, sicher alle zwei Wochen, obwohl er nie
    antwortete.
    »Wir müssen das weiter verfolgen«, hatte Sundström
    gerade gesagt.
    Joentaa nickte. »Das denke ich auch«, sagte er, und
    hob den Blick.
    Die anderen waren schon gegangen.

    7

    Timo Korvensuo kannte den Weg. Was eigentlich nicht
    sein konnte. Es war unmöglich. Er dachte darüber nach,
    während er fuhr.
    Er wartete auf den Moment, in dem er jemanden
    nach der einzuschlagenden Richtung würde fragen
    müssen, aber dieser Moment kam nicht, und Korvensuo
    hätte auch nicht gewusst, wie er seine Frage hatte for-
    mulieren sollen.
    Er kannte den Weg. So einfach war das. Wie ein
    Schlafwandler fahren. Träume gab es nicht. Das Kreuz
    wirkte klein und schmal. Das Feld blühte gelb. So gelb
    wie damals. Identisch. Er fuhr daran vorbei. Nicht lang-
    sam, nicht

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