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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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dem
    Bild und schwiegen.
    Dann die Jahre, in denen Maria die Wirklichkeit zu
    entgleiten begann und Turre seine ganze Kraft verlor.
    Der Tag, an dem Turre vorbeikam, in den von Schnee
    bedeckten Garten blickte und sagte, dass Maria bald in
    einem Heim leben werde, und auf dem Foto an der
    Wand hatte Pia nicht aufgehört zu lächeln.
    Der Sportwagen hatte silbern geglänzt, heller als die
    Sonne. Sie hatte den Mann auf das Haus zukommen
    sehen und war Schritt für Schritt gegangen, um zu
    öffnen.
    Sie versuchte, etwas zu empfinden, und dachte an
    Maria. An ihre letzte Begegnung. Maria hatte geklingelt
    und Elina die flache Hand ins Gesicht geschleudert,
    bevor Elina begriffen hatte, was passierte. Turre hätte
    Flittchen im Bett. Jede Menge Flittchen, Flittchen. Sie
    erinnerte sich an Marias Stimme. Daran, dass es nicht
    mehr Marias Stimme gewesen war, und es waren auch
    nicht mehr Marias Augen gewesen, die sie angesehen
    hatten.
    Wenige Tage später waren Turre und Maria in das
    Heim gefahren, und Elina hatte sie regelmäßig besucht,
    aber Maria war nie mehr zurückgekehrt.
    Sie wartete darauf, etwas zu empfinden, aber sie
    fühlte nichts, und sie dachte nur an Maria und daran,
    dass sie gestorben war, und zwei Namen geisterten
    durch ihre Gedanken, zwei Namen von Menschen, die
    sie nicht kannte. Das vielleicht. Ein vages Empfinden
    von Traurigkeit.
    Sie hatte schon vergessen, wie der Mann ausgesehen
    hatte. Ein silberner Sportwagen, heller als die Sonne.
    Und eine Visitenkarte. Kühl und glatt lag sie in der Hand.
    Sie zwang sich, zum Telefon zu gehen und wählte.
    Die Stimme, die sich meldete, klang vertrauter, als sie
    gedacht hatte.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie.
    »Oh ... du weißt ...«
    »Du hattest schon den einen oder anderen zu viel ge-
    trunken, und da ist dir das mit dem Geburtstag wohl so
    rausgerutscht.«
    »Oh«, sagte Ketola. »Ja, dann ... danke.«
    »Du hast recht gehabt«, sagte sie.
    »Recht gehabt...«
    »Er ist hier gewesen.«
    Ketola schwieg.
    »Ich weiß seinen Namen«, sagte sie.
    Ketola schwieg. Einige Sekunden vergingen.
    »Ich komme sofort zu dir«, sagte Ketola. Jetzt lag
    etwas Fremdes, Gehetztes in seiner Stimme.
    Zwei Namen. Von Menschen, die sie nicht kannte.
    »Seine Kinder heißen Aku und Laura«, sagte sie und
    legte auf.

    7

    Aku hielt eine Hand ins Wasser.
    Laura lag in der Sonne.
    Pia lachte lautlos.
    Ich kenne das hier, hatte Pärssinen gesagt. Hatte den
    Wagen scharf abgebremst, war rausgesprungen, hatte
    den Kofferraum geöffnet. Er selbst war im Wagen sit-
    zengeblieben und hatte Pärssinen zugesehen und nichts
    Bestimmtes gedacht, nur, dass es ein schöner See war
    und dass Pärssinen die Ruhe störte.
    Daran erinnerte er sich jetzt. Es war nicht lange her.
    Was waren schon dreiunddreißig Jahre.
    Damals war alles still gewesen, nur dieses eine
    Geräusch hatte er wahrgenommen. Das Geräusch, das
    Pärssinen verursacht hatte, als er den leblosen Körper
    über den Sand und den Schotter ans Wasser geschleift
    hatte.
    Timo Korvensuo stieg aus. Er streckte sich und be-
    trachtete eine Weile den Himmel. Seine Beine knickten
    ein. Er wartete, bis er auf ihnen stehen konnte, dann lief er ans Ufer, ging in die Hocke und hielt eine Hand ins
    Wasser.
    Wie Aku. Er fühlte, was Aku fühlte. Jetzt, in diesem
    Moment, und es fühlte sich leicht an. Noch leichter als
    am Morgen.
    Elina Lehtinen war eine nette Frau. Eine kluge Frau.
    Er mochte sie. Eine Frau mit großem Lebenswillen und
    einem stillen Schmerz in den Augen, den er aufgesogen
    hatte, bis sein Körper ganz davon durchdrungen gewe-
    sen war.
    Er richtete sich auf und nahm das Handy aus seiner
    Hosentasche. Er wählte. Marjattas Stimme klang nah
    und laut. Er drehte sich um, weil er plötzlich dachte,
    dass sie hinter ihm stehen musste, aber da stand nur
    sein Wagen, dessen silberner Lack unter dem Gewicht
    der Sonne langsam zu schmelzen begann.
    »Wie läuft̕s bei euch?« hörte er sich fragen.
    »Gut. Bei dir?«
    »Auch.«
    »Natürlich vermissen wir dich ein wenig. Wolltest du
    das hören?«
    Marjatta lachte. Marjattas klares, echtes Lachen.
    »Nein, nein«, sagte er.
    »Es ist aber wirklich so«, sagte Marjatta. »Aku fragt
    dauernd nach dir.«
    »Ja ...«
    »Und ich habe schlecht geschlafen. Irgendwie fehlt
    mir anscheinend dein Schnarchen.«
    Wieder lachte sie.
    »Ich ...«
    »Wo bist du jetzt? Geht die Sache da voran?«
    »Ich bin am See«, sagte er.
    »Am See?«
    »Ja ... am See. Ein ziemlich schöner

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