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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Fahrrad im Feld auf einem Fernseh-
    bildschirm und an einen ungewöhnlich kühlen Tag im
    Frühling. Ein Tag, der einige Monate zurücklag. Er
    dachte an den Regen, der an diesem Tag auf die Markise
    seiner Terrasse geprasselt war. Ein merkwürdiger Tag war
    das gewesen, und jetzt war wieder etwas Merkwürdiges
    passiert. Etwas wirklich Merkwürdiges.
    Ein Mann schaute vorbei und gab Elina Lehtinen
    seine Visitenkarte. Adresse, Telefonnummer, Festnetz,
    mobil. Mail-Kontakt. Korvensuo, Immobilien.
    Er fühlte die Karte in seiner Hand und wusste nicht,
    was er damit anfangen sollte, und das Einzige, was er seit Elinas Anruf denken konnte, war, dass es tatsächlich
    passiert war. Und dass es unmöglich war.
    Er horte Regen auf die Markise prasseln, sah durch
    das Fenster den wolkenlosen Sommer und richtete sich
    abrupt auf.
    »Das Telefon?«
    »Liegt im Flur«, sagte Elina.
    Er nickte, ging in den Flur, nahm das Telefon und
    wählte. Er wusste nicht, was er sagen würde, er wusste
    nur, dass er keine weitere Sekunde mit Nachdenken
    verbringen durfte. Er musste das jetzt richtig machen.
    Richtiger als alles, was er je gemacht hatte.
    Die Mailbox meldete sich. Die Stimme klang ange-
    nehm. Sympathisch. Zurückhaltend, aber selbstsicher.
    Bescheiden, aber selbstbewusst. Jünger als der Mann,
    den Elina Lehtinen beschrieben hatte. Die Mailbox von
    Timo Korvensuo, momentan nicht erreichbar, aber er
    werde umgehend zurückrufen.
    Ketola wählte erneut. Nicht nachdenken, dachte er.
    Joentaa nahm ab, kurz bevor Ketola aufgeben wollte.
    »Kimmo. Folgendes.«
    »Moment. Wir sitzen gerade in einer Besprechung.
    Kann ich dich zurückrufen?«
    »Nein. Es ist wichtig. Geh raus, wir müssen reden.«
    Kimmo schien kurz zu zögern. »Moment«, sagte er
    schließlich, und Ketola hörte ihn laufen, und Sund-
    ströms Stimme im Hintergrund. Das Schließen einer
    Tür.
    »So, jetzt bin ich auf dem Flur. Was gibt es denn?«
    fragte Kimmo.
    »Er ist hier gewesen. Bei Elina Lehtinen.«
    Kimmo schwieg.
    »Verstehst du? Er ist tatsächlich hierher gekommen.
    Er hat seine Visitenkarte da gelassen. Adresse, Telefon,
    alles da.«
    Kimmo schwieg beharrlich, und Ketola dachte ein-
    mal mehr, dass dieser Mann ihn beizeiten in den Wahn-
    sinn treiben würde, und sagte mit aller ihm zur Verfü-
    gung stehenden Eindringlichkeit: »Elina ist sich sicher.
    Er hat irgendeinen Mist erzählt ... dass er in dieser
    Wohngegend leben möchte und dass sie ihm vielleicht
    helfen kann und so weiter, aber Elina ist sich sicher,
    verstehst du?«
    »Ja«, sagte Joentaa.
    »Und ich bin es auch. Er heißt Timo Korvensuo.«
    »Timo Korvensuo«, sagte Joentaa.
    »Richtig. Wir haben ihn. Wir müssen ihn nur noch
    finden.«
    »Verstehe«, sagte Kimmo aufreizend langsam, und
    Ketola war kurz davor, eine Bemerkung zu machen
    über Kimmo Joentaas Phlegma, aber er hielt es gerade
    jetzt für nicht angeraten.
    »Du verstehst. Das ist schön. Wir müssen los.«
    »Wohin?«
    »Na, da hin. Zu Timo Korvensuo, wohnhaft in Hel-
    sinki. Er hat eine Frau und zwei Kinder. Ich muss mir
    das ansehen. Hatte erst überlegt anzurufen, aber das
    bringt ja nichts, die Frau wird ja gar nicht begreifen,
    worum es geht.«
    »Das wird sie auch nicht, wenn du an ihrer Tür klin-
    gelst.«
    »Egal, ich muss das jetzt machen. Ich muss das jetzt
    alles nach meinem Gefühl machen. Das ist doch gut,
    oder? Das hat dir doch immer gelegen, den Gefühlen
    folgen. Und du kommst mit, ich brauche dich als Mit-
    glied des Ermittlungsteams, das verstehst du sicher.«
    Wieder schwieg Joentaa eine Weile. Ketola zwang sich
    zu warten.
    »Ich rede mit Sundström«, sagte Joentaa schließ-
    lich.
    »Mach das. Sag ihm, Ketola hat eine seiner irren
    Ideen, und du willst ihm auf die Finger schauen, damit
    er keine Dummheiten macht.«
    »Genau das habe ich vor«, sagte Joentaa.
    »Ah«, sagte Ketola.
    »Ich bin in einer halben Stunde bei Elina Lehtinen«,
    sagte Joentaa und unterbrach die Verbindung.
    Ketola atmete durch und hörte Elinas Stimme in sei-
    nem Rücken.
    »Weißt du, was ich glaube?« sagte sie.
    Er schüttelte den Kopf
    »Ich glaube, dieser Mann ... Korvensuo ... weshalb er
    gekommen ist...«, sagte Elina.
    »Ja?« fragte Ketola, und Elina sah aus dem Fenster
    und schien ihre Worte an niemand Bestimmten mehr
    zu richten, als sie ruhig und leise weitersprach:
    »Er wollte sich bei mir entschuldigen.«

    9

    Ketola stürzte aus dem Haus, noch bevor Kimmo Joen-
    taa Gelegenheit hatte, den Klingelknopf zu

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