Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
Frau, die ihnen die Tür öffnete, hatte ein Lachen
    im Gesicht und offenbar jemand anderen erwartet.
    »Oh«, sagte sie.
    »Guten Tag, Frau ... Korvensuo?« sagte Joentaa.
    »Ja ... entschuldigen Sie, ich dachte, dass mein Sohn
    ... was kann ich ... worum geht es denn?«
    »Frau Korvensuo, mein Name ist Kimmo Joentaa, ich
    bin Mitarbeiter der Polizei in Turku, und das ist Antsi
    Ketola, ein ... Kollege ...« Er zeigte Marjatta Korvensuo
    seinen Ausweis und sah den unvermeidlichen Schatten
    über ihrem Gesicht.
    »Es ist doch nichts ... mit Timo ... mein Mann ist im
    Moment in Turku ...«
    »Nein, nein«, sagte Joentaa. »Ich bitte Sie, sich gar
    keine Sorgen zu machen, wir kommen, weil wir ... in
    einem Vermisstenfall ermitteln, und wir benötigen nur
    ein paar Auskünfte. Wie gesagt, es ist halb so wild ...«
    Joentaa verstummte und dachte, dass er sich besser auf
    dieses Gespräch hätte vorbereiten müssen.
    »Ja ... dann kommen Sie am besten rein«, sagte Mar-
    jatta Korvensuo.
    »Danke«, sagte Joentaa.
    Sie saßen im Wohnzimmer. Er sah die Verunsiche-
    rung und die plötzliche Anspannung in Marjatta Kor-
    vensuos Augen und spürte die Unruhe Ketolas, der
    neben ihm saß und mit dem Fuß wippte. In regelmä-
    ßigen Abständen prallte draußen der Ball gegen das
    Garagentor.
    »Frau Korvensuo, es geht tatsächlich um Ihren
    Mann, Timo Korvensuo ... aber nicht in einer Weise,
    dass Sie sich Sorgen machen müssen ... wir möchten
    einfach nur einige Dinge erfragen, die möglicherweise
    schnell Klarheit bringen.«
    »Ja, dann ... bitte«, sagte Marjatta Korvensuo.
    »Ihr Mann, sagten Sie, ist zur Zeit in Turku?«
    »Ja. Er trifft einen Geschäftspartner ... mein Mann ist
    Immobilienmakler.«
    »Richtig. Dieser Geschäftspartner, wissen Sie da eine
    Anschrift oder eine Telefonnummer? Oder das Hotel,
    in dem Ihr Mann zur Zeit ist?«
    »Nein ...«, sagte Marjatta Korvensuo. »Tut mir leid, er
    hat den Namen des Mannes nicht genannt ...«
    Ketola hatte sich abrupt aufgerichtet. »Entschuldi-
    gung, dürfte ich die Toilette benutzen?« fragte er.
    »Natürlich. Links neben der Eingangstür«, sagte Mar-
    jatta Korvensuo. Joentaa sah, wie Ketola mit langen
    Schritten im Flur verschwand, und wendete sich wieder
    Marjatta Korvensuo zu, die fortfuhr: »Timo hat angeru-
    fen ... aus dem Hotel. Da müsste ich die Nummer ge-
    speichert haben.«
    Sie griff nach dem Telefon, das vor ihr auf dem fla-
    chen Glastisch lag.
    »Ja, hier. Das ist die Nummer.«
    Joentaa nahm das Telefon. »Hätten Sie einen Stift?«
    »Natürlich.« Sie stand auf, verließ den Raum und
    kehrte gleich darauf mit einem Kugelschreiber zurück.
    Von oben hörte Joentaa Musik und Mädchen, die lach-
    ten. Der Ball prallte gegen die Garagenwand.
    »Danke«, sagte Joentaa und notierte die Telefonnum-
    mer des Hotels auf der Visitenkarte.
    »Das ist ... Timos Visitenkarte«, sagte Marjatta Kor-
    vensuo.
    »Hm ...ja ...«.sagte Joentaa.
    »Wo haben Sie die denn gefunden? Was ist eigentlich
    genau los?«
    »Wir ... es ist schwer zu erklären. Die Karte ist sozu-
    sagen in unsere Ermittlungen ... hineingeraten ... aber
    Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen ... es
    geht einfach darum ... den Sachverhalt zu klären.«
    Sie setzte sich wieder, und Joentaa fragte sich, warum
    er so merkwürdiges Zeug redete und warum er so
    intensiv darauf bedacht war, Marjatta Korvensuo nicht
    zu beunruhigen. Er versuchte, sich auf seine Fragen zu
    konzentrieren. »Ihr Mann ...«, begann er. »Wissen Sie,
    ob er, vor allerdings sehr langer Zeit, in Turku gelebt
    hat? In den siebziger Jahren?«
    »Ja, hat er«, sagte sie sofort, und Joentaa spürte ein
    Stechen im Magen. Obwohl das alles natürlich nichts
    besagte. Er dachte an den Jungen, der draußen Kopfbälle
    übte. Aku.
    »Hat er tatsächlich«, sagte sie. »Er hat dort studiert.
    Mathematik. Aber dann hat er das Studium abgebro-
    chen und ist nach Helsinki gezogen. Gut so, sonst
    hätten wir uns wohl nicht kennengelernt.« Sie lächelte
    kurz. »Wieso ist das wichtig?«
    »Wissen Sie ... noch die genaue Zeit ... wann genau
    das war?«
    Sie überlegte eine Weile. »Er hat nie viel darüber ge-
    redet ... sehr wenig eigentlich ... und es ist ja ewig her
    ...es muss etwa ... er ist 1974 nach Helsinki gezogen,
    also müsste er im selben Jahr Turku verlassen haben ...«
    Joentaa senkte den Blick auf die Visitenkarte und
    dachte an Ketolas alte Akten und an die Zahl, die Mar-
    jatta Korvensuo gerade genannt hatte. 1974.

Weitere Kostenlose Bücher