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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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rannte weiter und stieß einen Schrei aus, der
    nicht zu enden schien und der Matti Ylönen nicht son-
    derlich menschlich vorkam.
    Er spürte den festen Druck von Outis Hand in seiner.
    Sie schwiegen, während der Mann immer schneller
    rannte und aus dem Schrei eine Art hysterisches India-
    nergeheul wurde, und als der unbekannte Mann schließ-
    lich, wie von einer plötzlichen Eingebung geleitet, in
    seinen Wagen stieg, den Motor laut aufheulen ließ,
    anfuhr und sich mitsamt seinem Auto über den Steg
    hinweg in hohem Bogen in den See katapultierte,
    dachte Matti Ylönen merkwürdigerweise daran, dass er
    mit Outi zusammenleben würde.
    Dass es so einfach war.
    Dass sie zusammengehörten.
    Ob sie nun wollte oder nicht.
    Der Wagen versank erstaunlich schnell im aufge-
    wühlten Wasser, und dann war alles ruhig, nur der
    Schrei hallte nach, und Outi lehnte den Kopf an seine
    Schulter.

    12

    Laura lag in der Sonne.
    Aku tauchte.
    Pia lachte lautlos.
    Nicht atmen, sagte Marjatta.
    Er wollte nicht.

    13

    Aku lief. Er drehte sich immer wieder um, weil er sicher
    war, dass sie ihm folgen würden, mindestens Laura
    musste doch hinter ihm herrennen, um ihn zurückzu-
    bringen oder wenigstens zu fragen, was er denn vor-
    habe, aber niemand kam. Im Haus waren fremde Män-
    ner gewesen, einige von ihnen hatten ihn angelächelt,
    während er versucht hatte, herauszufinden, was sie
    machten. Nach einer Weile waren die Männer seinen
    Blicken ausgewichen und hatten so getan, als würden
    sie seine Anwesenheit gar nicht bemerken.
    Laura hatte am Rand gestanden und unsicher
    gelächelt. Ihre Freundin war nach Hause gefahren. Die
    fremden Männer hatten den Computer seines Vaters
    aus dem Haus getragen.
    Seine Mutter hatte auf dem Sofa gesessen, neben
    einem der Männer. Sie hatte nicht gesprochen, kein
    einziges Wort, sie hatte nur dem ruhig und sanft
    sprechenden Mann zugehört und genickt, und Aku war
    gegangen, ohne sich zu verabschieden.
    Er stand an der Bushaltestelle. Er konnte das Haus
    sehen, das Fenster seines Zimmers im Dachgeschoss.
    Der Bus kam. Er stieg ein und hatte gerade genug Geld
    für ein Ticket in die Innenstadt. Er setzte sich in die
    letzte Bank und sah die Vororte vorbeifliegen.
    Er fragte sich, was die Männer mit dem Computer
    anfangen wollten. Zumal der mit Abstand beste Com-
    puter im ganzen Haus ja in seinem eigenen Zimmer
    stand.
    Er stieg in der Innenstadt aus und lief eine Weile ein-
    fach nur herum, weil er kein Geld mehr hatte, noch
    nicht einmal für eine einzige Kugel Eis. Dann saß er am
    Hafen und sah den Fährschiffen dabei zu, wie sie auf
    das Wasser glitten. Nächste Woche wollten sie mit der
    Fähre nach Tallinn fahren, er freute sich darauf.
    Als er nach Hause kam, stand nur noch eines der
    Autos vor der Einfahrt zum Haus. Laura öffnete. Ihr Ge-
    sicht sah wie versteinert aus, ganz weiß. Der Mann und
    seine Mutter saßen auf dem Sofa. Der Mann sprach,
    seine Mutter nickte. Als seien nur Minuten vergangen.
    Niemand fragte, wo er gewesen sei.
    Er rannte nach oben in sein Zimmer. Er riss die Tür
    auf und sah den Computer auf dem Tisch stehen. Für
    Momente war er erleichtert. Den wesentlich besseren,
    seinen, hatten sie also da gelassen.
    Er setzte sich auf das Bett und begann, in einem
    Comic-Heft zu blättern. Er summte eine Melodie vor
    sich hin.
    Ab und zu sah er durch das Fenster, um zu sehen, ob
    das Auto noch da stand. Das Auto des Mannes, der
    neben seiner Mutter im Wohnzimmer saß.

    14

    Joentaa sah schon aus der Entfernung das aus dem Was-
    ser aufragende Auto. Sundström und Grönholm und die
    Taucher und Mitarbeiter des Bergungsteams. Ein Junge
    und ein Mädchen, die am Rand standen, im Gespräch
    mit Tuomas Heinonen. Niemi und seine Kollegen, über
    das ganze Areal verteilt, in weißen Overalls. Die Leiche
    auf dem Fahrersitz des Wagens, über dem Lenkrad
    zusammengesunken. Der Wagen wurde gerade mit
    schwerem Gerät geborgen.
    Ketola parkte behutsam neben den Einsatzfahrzeugen
    und betrachtete das Bild, ohne ein Wort zu sagen. Seine
    Augen waren gerötet, er hatte bis kurz vor ihrer
    Ankunft gelacht. Gelacht und gelacht und gelacht, bis
    zu dem Moment, in dem er scharf abgebremst und auf
    den Waldweg abgebogen war, der zum See führte.
    »Das war̕s«, sagte er nach einer Weile und schwieg
    wieder, als sei tatsächlich alles gesagt.
    Joentaa stieg aus und ging auf Sundström und Grön-
    holm zu. Sein Blick ging immer wieder zu dem zusam-
    mengekrümmten Körper auf dem

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