Das Schweigen
wenn alles geklärt ist, wenn
mehr Zeit ist, würde ich gerne hierherkommen, und
dann können wir sprechen.«
Er wusste nicht, was das sollte.
Er hielt ihr unbeholfen die Hand entgegen.
Sie nickte.
»Wir werden jemanden schicken ... der ... ich wer-
de dafür sorgen, dass jemand kommt, mit dem Sie
reden können ... wir haben Leute, die dafür ausgebildet
sind ...«, sagte er.
Sie nickte.
Er lief und spürte, wie sich das Bild der vor dem
schwarzen Bildschirm stehenden Frau in sein Gedächt-
nis einbrannte.
Ketola saß schon im Wagen und trommelte gegen das
Lenkrad. Der Junge kickte inzwischen wieder den Ball
gegen das Garagentor.
»Auf Wiedersehen, Herr Joentaa«, rief er, als Kimmo
in den Wagen stieg.
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Ketola fuhr in merkwürdig entspannter, schlaffer Kör-
perhaltung weit jenseits der erlaubten Geschwindigkeit,
und Kimmo Joentaa rief Sundström an. Sundström rea-
gierte überrascht, aber gelassen und zielfixiert. »Ein
wenig viele Zufälle, zugegeben«, sagte er nach Sekunden
des Nachdenkens.
»Dennoch ist das natürlich alles noch kein Beweis für
irgend etwas«, sagte Joentaa.
»Sicher ...«, sagte Sundström. »Aber ich bin jetzt
durchaus bereit, das ernstzunehmen ... die Einschät-
zung von Elina Lehtinen ... und dann hat der Mann
Kinderpornos auf der Festplatte ... und hat 1974 in
Turku gelebt ... und ist im selben Jahr umgezogen ...
und Ketola meint also, der Mann befinde sich jetzt
gerade an dem See, in dem damals die Leiche von Pia
Lehtinen gefunden wurde ...«
»Ja. Möglicherweise.«
»Aber wir haben den doch abgesucht. Er wird viel-
leicht eher an dem See sein, in dem er Sinikka Vehkasalo
versenkt hat... und den kennen wir noch nicht.«
»Ketola ist sich sicher, dass er an dem See ist, in dem
Pia Lehtinens Leiche gefunden wurde.«
»Aha. Und warum?«
Joentaa warf einen Seitenblick auf Ketola. »Ich weiß
nicht«, sagte er.
»Aha. Gut, da es der einzige See ist, den wir mit der
Sache in Zusammenhang bringen können, werden wir
einfach mal da hinfahren«, sagte Sundström.
»Könntest du mit Helsinki telefonieren und dafür
sorgen, dass jemand bei Marjatta Korvensuo ist? Ein
Psychologe, meine ich. Jemand, der ... mit einer sol-
chen Situation wirklich gut umgehen kann«, sagte
Joentaa.
»Sicher. Mache ich. Adresse?«
Joentaa nannte sie. »Und natürlich muss sofort je-
mand den Computer sichern ... wir sind wohl etwas
überstürzt losgefahren ...«
»Klar. Gut, dann mache ich mich auf den Weg und
sammle unseren Mörder ein. Sag nochmal schnell den
Namen, bitte...«
»Timo Korvensuo.«
»Timo ... Korvensuo ... gut.«
»Ich werde in dem Hotel anrufen, in dem Korvensuo
abgestiegen ist. Falls er doch dort sein sollte, gebe ich
euch Bescheid.«
»Bestens. Bis später.«
Joentaa wählte die Nummer des Hotels und erfuhr,
dass Korvensuo am Morgen ausgecheckt hatte. Anrufe
oder sonstige Nachrichten irgendeines Geschäftspart-
ners für den Gast Timo Korvensuo waren nicht regis-
triert. Joentaa bedankte sich, unterbrach die Verbin-
dung, wählte erneut und gab die Information an
Heinonen weiter. Sundström und Grönholm waren
bereits unterwegs zu dem See.
Joentaa lehnte sich ein wenig zurück, setzte sich
aber gleich wieder aufrecht und dachte, dass alles sehr
schnell ging, vermutlich zu schnell.
Möglicherweise rief Korvensuo in diesem Moment bei
seiner Frau an. Er würde begreifen, was passiert war.
Wenn sie mit ihm sprechen würde. Aber sie würde
nicht abheben. Es war undenkbar, dass sie abhob, wenn
sie die Handynummer ihres Mannes auf dem Display
sah. Sie würde jetzt nicht mit ihm sprechen können, sie
würde mit niemandem sprechen können, weil zu vieles
innerhalb von zu kurzer Zeit aus den Fugen geraten
war.
Joentaa warfeinen Seitenblick auf Ketola und fragte
sich, ob er sich ähnliche Gedanken machte. Es hatte
nicht den Anschein. Ketola hielt den Blick starr auf die
Straße gerichtet und lag fast in seinem Sitz, als wolle er jeden Moment bei 200 Stundenkilometern einschlafen.
»Alles klar?« fragte Joentaa.
»Klar«, sagte Ketola.
»Sundström ist schon auf dem Weg zu dem See«,
sagte Joentaa.
»Habe ich mitbekommen.«
»Meinst du ... bist du dir sicher ... in Bezug auf Kor-
vensuo?«
»Vollkommen sicher«, sagte Ketola.
Joentaa nickte. »Und was macht er deiner Einschät-
zung nach an diesem See?«
Ketola sah ihn an. »Er ...«, begann er, schwieg dann
aber eine Weile, bevor er neu ansetzte: »Ja, eine
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