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Das schweigende Kind

Das schweigende Kind

Titel: Das schweigende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Schrott
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Selbsterniedrigung zu holen; wo dies für sie Mittel zum Zweck war, um Körperwärme fühlen zu können, kribbelnde Haut, die sich mit Blut füllte und dehnte, um endlich Atem zuzulassen, verengte sich in mir jedoch alles immer mehr, weil ich entdecken musste, dass ich immer mehr Lust daran fand, ihr Schmerzen zuzufügen, sodass ich darüber zutiefst erschrak. Und ich war es auch, der sie malte, während die runde Plattform, auf der sie uns Modell saß, sich weiterdrehte. Allmählich erhielt sie Kontur und Form, eine zeitlose Figur; ich aber wurde beständig mit dem konfrontiert, was sich in jeder ihrer Posen ausdrückte, was hinter ihrer Maske zu sehen war, was die Ursache war für diese Gewalt, diese Schönheit, für den Riss, der durch sie lief. Sodass auch ich der Frage nicht länger ausweichen konnte: wer bin ich eigentlich?
    Hier steigen gerade Fetzen eisigen Nebels auf; einzig der Park mit seinem Kiesweg und dem Teich steht bis zum Wall der Taxien im Licht, die Tropfen am Laub vor dem Fenster aufglänzend.
    Eine zeitlose Figur, habe ich geschrieben, doch das war falsch. Wahr ist das eine oder andere Detail an ihr, der Rest eine Projektion: ist nicht gerade das ›Kunst‹? Dem, was man zu ahnen glaubt, Gestalt zu geben? War nicht gerade das für deine Mutter ›Liebe‹? Ihr Verlangen danach, dass ich das Zerbrochene in uns zu einem Ganzen, dieses Bruchwerk der Welt zu einem Gebäude zusammensetze, es täglich mit Beweisen meiner Zuneigung bekräftige – damit wir es abends in stillschweigendem Einverständnis wieder zerschlagen konnten. Aus nichtigsten Anlässen ging sie auf mich los, erst mit Worten, ohne dass ich sie zu beruhigen verstand, um mir dann alles nachzuwerfen, was gerade in Reichweite war, egal, wo wir uns gerade befanden, in einem Restaurant, wo mir nichts blieb, als mir den Wein vom Gesicht zu wischen, oder beim Nachtisch zuhause, wo sie mit Fäusten auf mich einhämmerte, dass ich sie zurückdrängen musste, um nicht selbst handgreiflich zu werden, mir vor Zorn die Wange zerbeißend.
    Heute erscheint es mir unvorstellbar, wie ich so lange blind an deiner Mutter festhalten und die Warnungen meiner Bekannten in den Wind schlagen konnte; sie merkten bereits daran, dass wir uns völlig von ihnen abschotteten, in welchem Wahn wir befangen waren. Und irgendwann wollte deine Mutter dann nicht mehr weiter und blieb nachtseits stehen, dich nicht mehr aus den Armen lassend; während ich immer weiter ins Leere lief und schließlich in dieser Anstalt landete, wo mich die Wärter nun am Ausgang hindern, die Schweizer Berge irgendwo dahinten in diesem verhangenen Tag. Doch die Vorwürfe, die ich mir mache, sind müßig: wie anders hätte ich zu mir finden sollen?
    Der Nebel hat nun die Kante der Berge überdeckt, die Sonne in den Wolken milchig zerronnen; doch was er grundiert, ist eine Seelenlandschaft, eine Karte einzelner Stationen vom Erwachen über Hoffnung und Erstarrung, Ekel und Grübelei, bis hin zu Groll und Zorn, die dem Sein eine Richtung verleihen.
    Deiner Mutter zu verzeihen, so weit bin ich noch nicht. Doch was heißt Schuld? Wie das Böse ist sie bloß ein zum Begriff erhobenes Adjektiv, reine Zuschreibung, die als etwas Eigenständiges ausgegeben wird. Hat deine Mutter dich mir nur aus Zerstörungslust entzogen? Oder um sich zu retten? Weil sie es für das beste hielt? Oder aus gedankenlosem Egoismus? Egal, ob ich darin etwas Dämonisches sehe, ihr vorhalte, zu meiner Demütigung unsere Tochter instrumentalisiert zu haben, einem abwegigen Ideal anzuhängen, oder es als schiere Dummheit betrachte, es erklärt nichts – damit wird das Handeln deiner Mutter jedesmal nur so dargestellt, als ließe sich die Verantwortung auf äußere Gründe schieben. Doch einmal richten darüber, das wirst du.
    Nichtsdestoweniger weiß ich, dass unser Wunsch nach einem Kind rein war und jede Sehnsucht zutiefst gut; wie also konnte daraus Böses erwachsen? Kraft der Schwäche. Und da ich auf meine Art weit haltloser war als deine Mutter, habe ich Schuld auf mich geladen. Indem ich glaubte, deine Mutter ließe sich aus meinem Leben tilgen. Das einzige, was dadurch bewirkt wurde, ist: sie ist mir nun näher als je zuvor.
    Reden wir also nicht von Schuld, zumindest so lange, wie diese plötzliche Klarheit der Gedanken anhält. Sagen wir lieber, dass ich mich dir gegenüber im Irrtum befand. Und dass er uns so lange auf Abwege führt, bis wir irgendwann in die Nähe einer Wahrheit geraten.
    Wie oft bin ich den

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