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Das schweigende Kind

Das schweigende Kind

Titel: Das schweigende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Schrott
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Finger um Kims Knie gepresst, dachte ich an den Briefumschlag mit meinem Honorar, und dass er noch immer auf dem leeren Stuhl lag.
    In unserem Zimmer im Gästehaus riss ich Kim die Kleider vom Leib, leckte an ihren Ohren, dem Hals, sparte den Mund aus, um sie hinzuhalten, die Nippel, biss mich in ihrem Bauch fest, mein Schwanz halb schlaff vom Wein, dass sie ihn hart zwischen die Finger nehmen musste. Ich leckte alles Fremde an ihr ab, um darunter ihren Schweiß zu schmecken, die winzigen Perlen auf ihrer nach Laub riechenden Haut, fiebernd und befreit, Kim zum ersten Mal nicht mehr verhalten, sondern laut, Worte herausbrechend aus ihr, dass ich mich wie ein Mann fühlte und immer härter in sie stieß, ohne Lust zu spüren, nur Kraft und ein sich Verausgaben des Körpers, sich in der bloßen Bewegung erschöpfend, Kims Arme um mich gekrallt, ihr Atem schneller werdend, bis sie mich plötzlich wegstieß, die Beine anzog, sich aufrichtete und den Oberkörper an die Wand stützte, zuckende Gesten der Abwehr mit beiden Händen, als könne sie nicht mehr, als ertrüge sie nicht mehr an Reiz, dass mich blanke Befriedigung erfüllte.
    Ich drehte mich auf die Seite, spürte ihren Atem ruhiger werden, ihre Brust sich schließlich im Schlaf heben und sah zum offenen Fenster hinaus, satt und erwartungsvoll, sah die Nacht sich allmählich aufhellen, die Vordämmerung die Reben randend bis hinauf zum Kamm, und hörte plötzlich ein großes Tier durch die Büsche brechen, stand auf und sah seinen Rücken, fahl weiß, die Luft eisig an meinen Oberarmen, herabsackend wie Äther. Es war das letzte Mal, dass ich mit einer Frau geschlafen habe.

SECHSUNDZWANZIG
    Könnte ich noch malen, ergäbe alles zusammen vielleicht ein Bild; so aber bleiben diese Seiten ein Palimpsest von abgeschabten und wieder neu angesetzten Skizzen.
    Wir verließen das Gästehaus frühmorgens, um uns nicht verabschieden zu müssen, und fuhren über die Grenze. Mich erleichterte es, dieses Land hinter mir zu lassen: und solange wir im Auto saßen, befanden wir uns in einem Irgendwo, in dem ein neuer Anfang möglich schien. Wir redeten miteinander, angeregt, Kim froh, diese verpflichtenden Tage überstanden und mich nun ganz für sich zu haben, ich von allem Lastenden befreit. Während sie lenkte, streichelte ich ihr Haar.
    Wir hielten erst kurz nach Triest, parkten das Auto in einer Kurve und stiegen die Felsen zum Strand hinab. Hinter uns bot sich der Karst in seiner Kargheit dar, Glast über den Wellen, der Horizont gleißend. Wir stiegen ins Wasser, hechteten ausgelassen über die anrollenden Kämme, ohne uns von der Kälte abschrecken zu lassen, Salz im Rachen, das Blut bis in die Spitzen unserer Glieder pochend, Kim so kindlich aufgeregt wie je, wenn sie am Meer sein konnte. Dann legten wir uns erschöpft auf den Kies, zwei weiße Körper, fröstelnd im Nachmittag, dem Geruch der Pinien, Kim mit geschlossenen Augen, meine Lider hell von der Sonne, die noch über dem Wasser stand.
    Wir nahmen das nächstbeste Hotel neben der Straße, Fahnen aller Herren Länder auf den Zinnen, schwere Teppiche im Foyer, setzten uns auf die Terrasse, verschlangen Erdnüsse und Oliven, die man uns zum Aperitif gebracht hatte, und schauten an einem Leuchtturm vorbei auf die Stadt, die sich hinaus zur Landzunge schob. Im Zimmer mit seiner hohen Decke und den Bettpfosten aus Messing streckten wir uns aus und dösten, die Lust ansparend für später. Der Wind hatte sich ein wenig gelegt, der Lärm durchs offene Fenster lullte ein.
    Kim griff sich ein Buch und ging hinunter, um vor dem Essen noch ein bisschen zu lesen. Nicht lange nachdem sie zur Tür hinaus war, stand ich auf, und so selbstverständlich, als würde ich auf meinem Block eine Linie ziehen, ritzte ich mich. Ich war ganz ruhig dabei und wurde mit jedem Schnitt noch ruhiger, ließ nur Hände und Gesicht aus, damit die Kleider alles verbergen konnten. Die Glühbirne warf über die Kacheln und verzinkten Armaturen ein gelbes Licht, das alles aufsog. Seidige Blutstropfen traten aus den Schnittstellen, aber ich spürte kaum etwas, obwohl ich mich manchmal wandte. Der Schmerz war diskret, er kam und ging, während ich irgendwo tief in mir war, unberührbar. Obwohl all dies wie in Gedanken geschah, ich nie zuvor daran gedacht hatte, fühlte ich mich stark, war vielleicht das erste Mal eins mit mir, in einem einzigartigen Gefühl: der Schmerz ging in ein friedvoll abgehobenes Schweben über, in dem sich alles

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