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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Wiesen und Wälder streifen, durch die Nebel schweben oder plötzlich aus Nebelschwaden auftauchen, sich böse Buben und kecke Mädchen schnappen und ihnen Dinge antun, wie man sie sich als normaler Mensch, der Herr seiner Sinne ist, gar nicht vorstellen kann.«
    »Und trotzdem haben Sie sich etwas vorgestellt.«
    »Selbstverständlich. Wie sollte ich nicht?«
    »Und was haben Sie gedacht, könnte geschehen?«
    Pater Colavin senkte den Kopf und legte die rechte Hand auf die Brust. »Ich hatte Angst, sie würden meiner Mutter etwas antun und ich wäre nicht da, um sie zu beschützen.« Wieder schüttelte er den Kopf, hoffte inständig, die Erinnerung möge von ihm lassen und ihn nicht länger quälen. Er ließ die Hände erneut auf das Hauptbuch sinken, blickte Kitty an und flüsterte erregt: »Wie sehen sie aus?«
    So hatte sich Kitty ihre Unterredung nicht vorgestellt. Sie war gekommen, um sich von Geistern zu befreien, nicht aber, um sie heraufzubeschwören – wenn auch nur vor ihrem geistigen Auge – und sie dem Priester zu beschreiben, den sie doch eigentlich um Hilfe bitten wollte, damit er sie verjagte.
    »Sie sind barfuß«, begann sie, ohne aufzusehen. »Und rings um den Hals erkennt man das rohe Fleisch, aufgescheuert vom Strang.«
    »Nein«, unterbrach sie der Priester. »Hör auf. Mehr will ich nicht hören«, um sie im nächsten Moment zu drängen: »Doch, ich will es hören. Erzähl.«
    »Ihre Augen sind traurig, unsäglich traurig. Es scheint ihnen selbst ein Rätsel, was sie da in der Burg hält. Gekleidet sind sie in Braun, Brid in einem einfachen Kleid, dasihr nicht ganz bis zu den Knöcheln reicht. Schwarzes Haar. Hohe Wangenknochen. Frische, junge Lippen. Beide sehen sie wie siebzehn aus.«
    »Genau so alt waren sie. Sind sie.« Er schwieg, und Kitty hatte den Verdacht, dass er innerlich ein Gebet gen Himmel sandte. Sie wartete geduldig, bis er wieder sprach. »Und Taddy?«
    »Trägt einen Kittel, mit einem Strick gegürtet. Braune Jacke, grob gewirkte braune Hose, die ihm gerade bis unter die Knie reicht. Braunes Haar. Dunkelbraune Augen. Schwielen an den Händen, vernarbte Risse von harter Arbeit. Er spielt Harfe. Sie webt am Webstuhl.«
    »Das machen sie wirklich? Und du hast sie dabei gesehen?« Es verschlug ihm fast den Atem.
    »Manchmal. Kurz vor Sonnenuntergang. Sie verbringt die meiste Zeit bei den Kühen, geht mit ihnen mit, will einfach mit ihnen zusammen sein. Er wandert mit dem Schwein, das wir haben, umher. Sie sind wie verirrt, wissen nicht, wohin sie eigentlich wollen.«
    »Aber Angst machen sie dir nicht?« Er erwartete eine Antwort wie »O doch!«, eine gegenteilige Behauptung wäre ihm unglaubhaft erschienen.
    »Nein. Wieso sollten sie mir Angst machen? Meine Mutter hat sie nie erwähnt. Nie ist mir mit ihnen … gedroht worden.«
    »Trotzdem. Es sind Geister.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Und du hast keine Angst vor Geistern?«
    »Müsste ich die haben?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe nie einen Geist gesehen. Und ich hoffe auch, nie einen zu Gesicht zu bekommen. Ich würde mich zu Tode erschrecken, da bin ich ganz sicher.«
    »Sie brauchen nichts zu befürchten. Von ihnen jedenfalls nicht.«
    »Der bloße Anblick allein – nein, danke! Ich könnte den nicht ertragen. Ich fiele auf der Stelle tot um.«
    »Nein, das würden Sie nicht. Es würde Ihnen eher das Herz zerreißen, und Sie würden denen an den Kragen wollen, die sie gehängt haben.«
    »Das geschah in längst vergangenen Zeiten. Wir sollten Gott dafür danken. Und auf Herzzerreißen kann ich verzichten. Nicht noch einmal.«
    »Oh?«
    »Schon gut. Nicht mehr und nicht weniger, als ein jeder von uns auf dieser Welt erleidet.«
    Kitty wartete, ob er auf die Andeutung vielleicht doch noch etwas näher eingehen würde. Er tat es, aber nur in Gedanken. Mit in sich gekehrtem Blick starrte er auf das Fenster, als erschienen ihm tatsächlich Geister. Er hoffte, sie würden verschwinden, presste die Lippen fest aufeinander, darauf bedacht, ihnen keinen Laut, kein Wort entschlüpfen zu lassen. Der Mund entspannte sich. Sein Blick ging zu den Händen. Er holte tief Atem, verfolgte, wie die Luft in die Lungen strömte, soweit der gealterte Körper das zuließ. »Gibt es noch mehr, was du mir sagen möchtest?«
    »Kann man sie irgendwie dazu bringen, dass sie gehen?«
    »Du möchtest sie aus der Burg haben?«
    »Ja, natürlich. Sie haben doch selbst gesagt, Sie möchten keine umherwandernden Geister um sich haben.«
    »Na ja, weil es

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