Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Hände über der Tischplatte, blickte Kitty müde an und sagte: »Gott sei’s geklagt. Das leidige Dach, und nur der Teufel, der es flickt.«
Kitty wusste aus Erfahrung, dass der Priester sie nicht auf eine bestimmte Summe festnageln würde, sondern ihr die Höhe ihrer Spende überließ. Sie war gekommen, weil sie etwas von ihm wollte. Die meisten kamen, um Beschwerde zu führen – über die Musik, die Predigt, das Verhalten von Gemeindemitgliedern, über die Ministranten, die sich an ungehörigen Stellen kratzten. Stets nahm Pater Colavin derartige Hinweise mit gebührendem Dank zurKenntnis, ließ auch eine Bemerkung fallen, dass er ketzerischen Verhaltensweisen, schlimmen Verstößen gegen die Liturgie und Versündigungen anderer Art nachgehen würde, um sich dann seinen Aufgaben in allem Gleichmut zu widmen, wie er nur denen gegeben ist, die die Vermessenheit von Möchtegernen schlechthin ignorieren.
Meistens war Kitty dankbar für die Schranken, die er ihr setzte. In unmittelbarer Nähe von ihm hätte sie schwerlich dem Drang widerstanden, sich zu ihm zu neigen und einen Kuss auf die vom Alter gefurchte Stirn zu drücken. Auch in der heutigen Sitzung würde es ihr so gehen, umso mehr, da die ersten Minuten – Hauptbuch, Stöhnen, Verzweiflung – darauf hindeuteten, dass alles nach Plan verlaufen und damit enden würde, dass Kitty eine beträchtliche Summe für die Dachreparatur zusicherte, obwohl sie für dessen Instandsetzung bereits bei ihren letzten Besuchen in Vorbereitung der Hochzeit tief in die Tasche gegriffen hatte.
Dankbar war Kitty auch dafür, dass der Pater just diesen Tag für ihre Begegnung vorgeschlagen hatte. Eben erst war sie aus Cork zurückgekehrt, wohin sie ihre Anwältin, eine Debra McAlevey, zu einer Unterredung gebeten hatte, nachdem Kitty mehrere E-Mails ignoriert hatte, in denen ihr mitgeteilt wurde, dass der gegenwärtige Lord Shaftoe, mit vollem Namen George Noel Gordon Lord Shaftoe, in London Rechtsanwälte angeheuert hatte, die seinen rechtmäßigen Anspruch – wohlgemerkt seinen alleinigen Anspruch und nicht den der Krone oder der Republik Irland – auf den Besitz der Burg Kissane vertreten sollten. Kitty hatte die bisherigen E-Mails und deren Inhalt mit Nichtachtung gestraft, jetzt aber hatte Mrs. McAlevey gedroht, sie würde sie als Klientin fallen lassen, falls sie sich länger in Stillschweigen hüllte.
An diesem Morgen nun hatte Kitty zur Kenntnis nehmenmüssen, dass Seiner Lordschaft Forderung alles andere als harmlos war. Es lagen Dokumente vor, die möglicherweise frühere Zusicherungen null und nichtig machten, dass die Burg aufgrund längeren Nichtzahlens von Steuern in den Besitz der Republik gelangt war, von der wiederum Kitty die Burg erworben hatte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu reagieren. Sie musste Papiere unterzeichnen, eidesstattliche Erklärungen abgeben und durfte in Zukunft den misslichen Vorgang nicht einfach beiseiteschieben.
Sie versuchte sich zu beruhigen und die ganze Geschichte als ein leidiges Ärgernis abzutun. Ihr Kaufrecht hatte man seinerzeit gründlich recherchiert und nach Recht und Gesetz abgewickelt. Ihr Besitzanspruch war auf ebenso solidem Grund gebaut wie die Burgmauern selbst; es wäre ja noch schöner, wenn sich da plötzlich nach zweihundert Jahren jemand blicken ließe und sich anmaßte, seine blutbesudelte Hand auch auf nur einen Zoll irischen Grund und Bodens zu legen. Gut, sie hatte auf jeder ihr von Mrs. McAlevey bedeuteten punktierten Linie ihre Unterschrift gegeben, doch aus ihrem schier unerschöpflichen Fundus an Missmut hatte sie die Gewissheit geschöpft, dass das ganze gerichtliche Verfahren nicht mehr als eine lachhafte und vorübergehende Ablenkung von ihren wahren Schwierigkeiten war, die sie gegenwärtig bedrückten – Schwierigkeiten, die sie das Pfarrhaus hatten aufsuchen lassen und deretwegen sie nun gemeinsam mit Pater Colavin, wenn auch hübsch säuberlich voneinander getrennt, an einem Tisch saß.
Kopfschüttelnd heftete Pater Colavin den Blick auf die hartnäckigen Eintragungen im vor ihm aufgeschlagenen Hauptbuch. »Erst fehlte es an einer Stätte, wo Gottes Sohn sein Haupt hätte betten können, und nun haben wir nicht mal ein Dach, es zu bedecken«, jammerte er. »Aber das hat ja nichts mit dir zu tun. Dich haben gewiss ganz andereKümmernisse zu mir geführt.« Kitty zog in Erwägung, nur mal so probehalber, schon gleich eine Spende anzubieten und danach ihr Anliegen zur Sprache zu bringen.
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