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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Aber weise, wie Pater Colavin war, könnte er das falsch auslegen und als Aufforderung verstehen, mit ihm angesichts ihrer Nöte handeln zu wollen. Er würde nicht geradeheraus um eine größere Summe bitten, sondern ihre Rede nur immer wieder unterbrechen und sie Verständnis heischend wissen lassen, dass der bevorstehende Einsturz des Daches seiner Konzentration abträglich sei. Um seine Sorgen zu lindern und seiner Konzentration nachzuhelfen, wäre ein geringfügiges Aufstocken ihrer Spende vielleicht doch zu erwägen.
    Kitty beschloss, bei ihrer alten Taktik zu bleiben: Erst ihr Anliegen vortragen, feilschen konnte man später. Sie wusste nur allzu gut, dass noch im Verlaufe ihrer Unterredung nicht nur das Dach, sondern auch ein Buntglasfenster, wenn nicht zwei, und eine neue Glocke für die Glockenstube zur Disposition stehen würden, kompliziert wie ihr Problem war, die Burg von nur einem Geist, nicht aber dem anderen, befreit zu wissen. Sie war bereit, die Glocke in ihrer Spende zu bedenken, die Fenster jedoch nicht. Ein paar Dinge musste man noch für spätere Notfälle in Reserve halten.
    »Also, Caitlin« – der Pater sprach sie mit dem Namen an, mit dem er sie getauft hatte –, »sag, was ich für dich tun kann, und ich werde alles, was in meinen schwachen Kräften liegt, tun.«
    »Was mir auf der Seele liegt, lässt sich nicht so einfach sagen, Pater.«
    »Oh, nicht das! Nicht du und Kieran. Nicht schon nach so kurzer Zeit.«
    »O nein, Pater. Das ist es nicht. Oder – nein – nicht wirklich …«
    »Gott sei Dank! Du hast mir vielleicht einen Schreckeneingejagt, so sehr bin ich seit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht mehr erschrocken.«
    Damals hatten die Reformen des Konzils den guten Priester entsetzt. Der Gedanke, dass der Papst sich mit den Bischöfen abspricht, statt vom Stuhl Petri Glaubensgrundsätze zu verkünden, hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Zur Erleichterung des alternden Paters hatten nachfolgende Päpste – Männer, die nicht so sehr an das Wirken des Heiligen Geistes glaubten wie Papst Johannes XXIII. – mit der feigen Billigung eben der Bischöfe, die das Konzil hatte stärken wollen, die Reform weitgehend zurückgenommen. Damit vertrauten sie die Kinder Gottes wieder einem Sterblichen an, der zögerte, die Lehren der allgemeinen Kirche so auszulegen, dass die gesamte Heilige Dreifaltigkeit mitgestaltend eingreifen konnte.
    Die Reform, die Bestand hatte – die Liturgie in der Sprache der Gläubigen zu halten –, kam Pater Colavin recht. Dass er die göttlichen Mysterien und die gute Nachricht von der Erlösung auf Irisch zelebrieren durfte, schien ihm die Korrektur eines uralten Übels, das man – entgegen dem gesunden Menschenverstand – vor vielen Jahrhunderten eingeführt hatte: Rom als Sitz des Papstes beizubehalten und ihn nicht an den einzigen Ort der Erde zu verlegen, der von dem Raubzug der Barbaren verschont geblieben war, infolgedessen ein ganzer Kontinent ins Analphabetentum versank. Pater Colavin glaubte unerschütterlich daran, dass es ein irischer Mönch gewesen war, der nach seiner Studienzeit in einem irischen Kloster ins Land der Franken gezogen war, um Karl dem Großen das Lesen beizubringen. Im Grunde genommen lag es auf der Hand, dass man Dublin zum Herz und Haupt des Christentums hätte erklären müssen, war es doch von Heiligen und Gelehrten umgeben, die ganz offensichtlich das Zeug dazu hatten, einen verkommenen Kontinent wieder zur Zivilisation zurückzuführen.Dass es dazu nie gekommen war, hatte den Pater zeitlebens gequält, doch blieb ihm der Trost, dass er nun mit gälischen Worten beim Messopfer die unmittelbare Gegenwart Gottes herbeibeten konnte. Leider blieb dieses bisschen Irisch in der Liturgie auf einen winzigen Flecken des Planeten an der Küste des Atlantik beschränkt; aber immer, wenn ihn dieser Gedanke beschlich, zelebrierte er eine weitere Messe in der rechtmäßigen Zunge der Kirche – auf Irisch – und empfand stolzgeschwellt einen kleinen Triumph, in dessen Genuss nur die kamen, die geduldig auf die fällige Nachbesserung der Geschichte gewartet hatten.
    Kitty heftete ihren Blick auf den Schal, der den Tisch bedeckte. »Ich bin nicht wegen Kieran hier.«
    »Ah, meine Gebete sind erhört. Ich darf nicht vergessen, Dank zu sagen.«
    »Ja, tun Sie das bitte.« Kitty legte jetzt wie Pater Colavin die gefalteten Hände auf die Tischplatte. Sie war bereit zu beginnen. Oder, wenn auch nicht bereit,

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