Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
etwas Mystisches ist, das sich nicht mit meinem Glauben vereinbaren lässt.«
»Ich dachte immer, die Menschen haben stets Visionen. Überall.«
»Es sind aber keine Visionen. Es sind Geister.«
»Wo ist da der Unterschied?«
»Visionen hat man, weil Gott sie in seiner Gnade erscheinen lässt. Er tut es aus für uns unerfindlichen Gründen. Bei Geistern weiß man nie, worauf sie aus sind.«
»Sie sind auf gar nichts aus. Sie sind einfach da.«
»Das ist es ja eben. Aber woher soll ich wissen, dass sie nichts im Schilde führen?«
»Was anderes sollten sie vorhaben, als einfach umherzuwandern, den Webstuhl zu betätigen oder Harfe zu spielen?«
»Können sie das tatsächlich?«
»Ja. Ich hab schon erwähnt, dass ich Brid am Webstuhl gesehen habe. Keine Fäden, aber sie hält ihn mit dem Tritt in Gang und jagt das Schiffchen hin und her, als würde sie richtig weben. Und … und Taddy zupft die Harfe, obwohl sie keine Saiten hat. Einmal allerdings haben wir Musik gehört. Und ein anderes Mal auch gesehen, wie richtig Tuch gewebt wurde.«
»Gott steh uns bei.« Pater Colavin schüttelte erneut den Kopf. »Ich kann mir nicht helfen. Sie müssen doch irgendeinen Zweck verfolgen. So wie jeder andere auch.«
»Kann ja sein, die tun es. Aber warum sollten Sie darüber, was es sein könnte, mehr wissen als ich – und was mich betrifft, ich weiß es nicht.«
»Wenn ich aber nicht …«
»Ja?«
»... nicht weiß, woran ich bin, dann will ich auch nichts mit der Sache zu tun haben.«
»Das heißt, Sie würden nichts unternehmen, um mir zu helfen?«
»Was genau schwebt dir vor?«
»Gibt es nicht auch heute noch so was wie Exorzismen?« »Ja.«
»Na, dann …«
»Nein. Das kommt nicht in Frage.«
»Weshalb nicht?«
»Ich kann dem Bösen nicht unmittelbar gegenübertreten – kann mich nicht mit ihm einlassen …«
»Aber sie sind doch nicht böse. Sie sind gut. Sie … sie sind Märtyrer.«
Der Priester brauchte etwas länger, dieses Argument zu überdenken. Er nahm es in sich auf, verinnerlichte es. Schließlich kam er nur wieder auf sein Kopfschütteln zurück, wenn auch diesmal weniger heftig. »Uns von Teufeln, von bösen Geistern zu befreien, dafür gibt es Wege und Möglichkeiten. Aber man hat uns nicht gewiesen, uns von guten Erscheinungen zu befreien. Du hast selbst gesagt, sie sind nicht böse; sie sind gut, und das macht mich nun vollends hilflos.«
»Sie finden aber keinen Frieden. Einer von ihnen zumindest.« Und dann platzte sie damit heraus: »Und außerdem hat sich mein Mann in Brid verliebt. So. Nun wissen Sie es.«
»Hast du nicht eingangs gesagt, es hätte nichts mit dir und Kieran zu tun?«
»Na, gut. Ich hab gelogen. Darüber wollte ich auch gar nicht sprechen, nicht über diesen Punkt der … der …«
»Misslichen Lage?«
»Ja, der misslichen Lage.«
»Und die missliche Lage besteht darin, dass dein Mann, Kieran Sweeney, sich in einen Geist verliebt hat?«
»In einen Geist verliebt ist, ja.« Sie atmete tief ein, ehe sie weiterredete. »Sie ist jung. Sie … sie ist schön.« Noch eine Pause, und dann die knappe Wiederholung: »Sehr schön.«
»Hat er selbst davon gesprochen?«
»Das ist gar nicht nötig.«
»Wie willst du es dann wissen?«
»Ich weiß es halt.«
»Aber es muss doch irgendeinen Hinweis geben, irgendetwas, was er gesagt oder getan hat …«
»Es ist einfach, wie er von ihr spricht.«
»Wie denn?«
»Dass sie schön ist. Dass er sie bei den Kühen sieht. Manchmal auch, wenn er beim Melken ist. Sie ist dann einfach bei ihm. Sieht ihm zu. Beim Melken.«
Kitty versuchte, es ihm zu erklären. Erzählte eins nach dem anderen. Schilderte den Abend, der sie davon überzeugt hatte, dass ihr Mann auf Abwege geraten war, mit seinen Gedanken, mit seinem Herzen. Pater Colavin nickte die ganze Zeit, als sorgte die Kopfbewegung dafür, dass das Gehörte in sein Bewusstsein drang. Kitty ließ nichts aus: wie Kieran aufhörte, Brid zu erwähnen, sein Liebesbegehren ihr selbst gegenüber sogar ungestümer wurde. Wie er es offensichtlich darauf anlegte, sie von dem Gegenteil dessen zu überzeugen, was sie wusste und was doch die Wahrheit war. Die nackte Wahrheit.
Nach vielleicht zwei Drittel ihrer ausführlichen Schilderungen hatte Pater Colavin das Kopfnicken eingestellt. Möglicherweise war es ein Zeichen dafür, dass er mehr an Informationen bei einer Sitzung nicht verkraften konnte. Oder er machte sich seine eigenen Gedanken, legte sich Erwiderungen zu dem Gesagten
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