Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
McCloud noch nicht gelesen hatte. Seine Lordschaft stand nun auf dem Anwesen, um eine Übergabe in beiderseitigem Einvernehmen zu vereinbaren, infolgedessen Mrs. McCloud weichen und Seine Lordschaft den Familiensitz übernehmen würde, der, seit man den Sprengstoffanschlag verhindert hatte, unbewohnt geblieben war.
Im Verlaufe der Darlegungen hatte Seine Lordschaft immer wieder Bemerkungen eingeflochten wie »Sie können sich gewiss meine Überraschung vorstellen …«, und »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr mir Ihre Enttäuschung nahegeht …«, und »Stellen Sie sich vor, wie ich erleichtert war, als ich erfuhr, Sie würden vollauf entschädigt werden, nachdem, wie sich von selbst versteht, die Gerichts- und Anwaltskosten bezahlt sind.«
Ihrerseits stellte sich Kitty überhaupt nichts vor. Sie ließ es geschehen, dass der Mann sich in seinen absurden Vorstellungen erging, gönnte ihm diese Momente der Überheblichkeit, ermunterte ihn sogar, sich seine Erwartungen auszumalen und darin zu schwelgen. Sie war entschlossen, so gut wie gar nichts dazu zu sagen, wollte ihn einfach reden lassen, etwa so, wie sie – aus reinem Mitleid – dem Geschwätz eines geisteskranken Kesselflickers Gehör schenken würde. Was Kitty aber regelrecht amüsierte, war, wie ungeniert Seine Lordschaft durch die Burg eilte, während er seine Rückerstattungs-Geschichten absonderte. Es genügte ihm nicht, sich in der Großen Halle umzusehen, nein, er öffnete auch Türen, die in eine zur Waschküche umfunktionierten Vorratskammer führten oder ins Esszimmer, wo auch die Tischtennisplatte stand. Dann stieg er die Wendeltreppe hoch zur Galerie, inspizierte alles Mögliche, schaute in die Kamine und ihre Abzüge und prüfte im Vorbeigehen die Festigkeit des Mauerwerks.
Als sie ans Schlafzimmer kamen, das Kitty mit ihrem Gattenteilte, schloss sie einfach die Tür, die sie offen gelassen hatte. Seine Lordschaft konnte nur den allerflüchtigsten Blick auf eine massive Bettstatt erhaschen mit zerwühlten Laken und achtlos hingeworfenen Decken und Kissen, woraus man auf einen Aufruhr schließen konnte, dessen Elan sich nicht unbedingt erschöpft, sondern der eher eine Pause eingelegt hatte, um Kräfte für neue Kampfspiele zu sammeln. Lediglich das Zucken einer Augenbraue verriet, dass der Lord gesehen hatte, was er nicht hatte sehen sollen; er gestattete sich nun, die übrigen Türen am Gang zu öffnen und zu schließen. Mit einem unterdrückten »Ah!« gab er seiner Verwunderung und Anerkennung beim Anblick des renovierten Badezimmers Ausdruck, nahm sich sogar die Zeit, Kitty zur Reinlichkeit der Einrichtung zu gratulieren. Da sie ein paar Schritte hinter ihm war, streckte sie ihm die Zunge aus.
»Ich denke, Sie haben sich jetzt davon überzeugt«, sagte Kitty, »dass alles in bester Ordnung ist und dass sich eine weitere Besichtigung erübrigt.«
Seine Lordschaft hatte jedoch schon den Fuß auf die unterste Stufe der Treppe gesetzt. »Hier geht es wohl hinauf auf den Turm?«
Kitty fand, dass sie sich für einen Tag bereits genug herabgelassen hatte. »Dort oben ist der Raum, in dem ich arbeite, in dem ich schreibe«, erklärte sie. »Ab hier hat kein Außenstehender Zutritt. Das werden Sie gewiss verstehen.« In Wahrheit ging es ihr nicht darum, ihr geheiligtes Zimmer zu schützen, sondern das, was sie für sich den Webstuhlraum nannte. Jener Raum war ihr heiliger als der, in dem sie ihr Gewerbe betrieb. Dass dieser Mensch mit seiner bloßen Anwesenheit ihre Arbeitsumgebung entweihen könnte oder auch nur durch die Turmstube ginge, war etwas, wovon sie und ihr künstlerisches Schaffen sich erholen konnten. Aber allein bei dem Gedanken, erkönnte seinen Fuß ins Allerheiligste setzen, in dem Brid an ihrem Webstuhl ohne Garn arbeitete und unaufhörlich die Mysterien wob, zu denen sie und Taddy so ungerechterweise verdammt waren, bäumte sich in Kitty alles auf.
Dass ein Shaftoe dort vorbeigehen könnte, ohne etwas zu sehen – ohne etwas zu wissen und ohne sich über das Verbrechen zu entsetzen, das Shaftoes an diesen jungen Leuten begangen hatten –, war mehr, als Kitty zu ertragen gewillt war.
Doch ehe die aufkeimende Wut sich in Worte entladen konnte, kam ihr ein anderer Gedanke. Unter Umständen würde er Brid und Taddy sogar sehen. Wenn er die Turmstube betrat, würden sich die beiden vielleicht zu ihm umdrehen und ihn anschauen – ihr Kummer, ihre ganze Verwirrtheit würden sich ihm offenbaren. Kitty würde ihm sagen,
Weitere Kostenlose Bücher