Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Freizeithose.
»Absprachen?«
»Sie werden doch wohl erfahren haben, was sich getan hat.«
»Ich meine, für einen Tag hat sich bereits genug getan.« »Ich bin der Besitzer der Burg.«
Ihre Augen trafen sich. Seine waren blassblau. Ihre, wie sie wusste, waren ebenfalls blau, aber dunkler, tiefer. Sie spürte auch – und das sofort –, dass sie sich mit diesem Mann in einem Kampf auf Biegen und Brechen befand. Ein Rechtsstreit hatte begonnen, bei dem einer gewinnen und der andere verlieren würde.
Sie zweifelte keinen Augenblick daran, wie er ausgehen würde. Beider Augenfarbe hatte längst entschieden. Seine waren zu blass, zu wässrig. Ihre hatten die richtige Farbschattierung, genau das richtige tiefe Blau. Der Ärmste würde sich dreinfinden müssen, daran war überhaupt nicht zuzweifeln. Man musste nur die verfügbaren Kräfte in Stellung bringen, die Finten und Paraden gewitzt und clever einsetzen. Am Ende würde Kitty triumphieren, während George Noel Gordon wie der Schlange nichts blieb, als »Erde zu fressen ihr Leben lang« 1 . Nachdem Kitty sich das alles zu ihrer Zufriedenheit zurechtgelegt hatte, war sie willens, eine der Situation angemessene Herablassung an den Tag zu legen. »Wenn ich auch gewöhnlich nachmittags keine Gäste empfange und unterhalte, bedeutet das nicht, dass ich nicht willens wäre, mich von anderen unterhalten zu lassen. Kommen Sie also besser herein und erzählen Sie mir, was das Ganze soll.«
»Gerne. Wenn Sie bitte mein Aussehen entschuldigen wollen. Meine Krawatte ist alles andere als präsentabel.«
»Einem Lord sieht man stets etwas nach.«
Und somit folgte ihr Lord Shaftoe in die Große Halle. Kitty war von einer inneren Unruhe getrieben, und um nicht bloß dasitzen und zuhören zu müssen, schlug sie vor, durch einige Räumlichkeiten der Burg zu wandern, während Seine Lordschaft berichtete, was zu berichten war. Im Folgenden ist Kittys Version wiedergegeben, wie sie sie in ihrem Gedächtnis abspeicherte.
Seiner Lordschaft Großvater, Urenkel des ersten Lord Shaftoe, hatte beabsichtigt, ständig auf Burg Kissane zu residieren, nachdem Generationen von Burgherren durch Abwesenheit geglänzt hatten, war aber stattdessen auf Geheiß Seiner Majestät nach Australien entsandt worden. Er hatte den Auftrag erhalten, den deportierten Verbrechern, die den Kontinent urbar machen sollten, die nötige Disziplin beizubringen, konnte die Familie doch auf einige diesbezügliche Erfahrung in Irland zurückblicken. Die Krone betrachtete Irland als wichtigstes Trainingsfeld für eine effektivere Form der Tyrannei und hatte sich bemüßigt gefühlt, auf die Sachkenntnis der Shaftoes zurückzugreifen, die aus der Zeit herrührte, da die Cromwellschen Marodeure bei der völligen Unterwerfung einen Teil der Grafschaft Kerry dem Clan der Shaftoes überantwortet hatten.
Augenscheinlich war es eine allseits anerkannte Tatsache, dass Habgier und Blutdurst genetisch bedingt waren, dass Grausamkeit und Hochmut zum Erstgeburtsrecht gehörten und, wie es die Natur vorsah, von Generation zu Generation in männlicher Linie weitergegeben wurden. Wahr ist freilich, dass sein Großvater in seinem Gartenschuppen ermordet wurde, und wahr ist auch, dass er vor diesem Ereignis einige Bastarde mit den losen Weibern gezeugt hatte, die Mutter England in dem vergeblichen Bemühen, das Mutterland moralisch zu säubern, nach Australien verschifft hatte. Ferner ist wahr, dass die Bastarde Erbansprüche stellten, zweifelsohne auf Betreiben ihrer liederlichen Mütter. Auch ist wahr, dass zwei der Dirnen Heiratsurkunden vorweisen konnten. Und wahr ist sogar, dass Lady Shaftoe anfänglich als die Mörderin im Gartenschuppen galt, doch das Blut auf ihrer Kleidung wurde von allen Untersuchungsbehörden als Spritzer von dem Schaf gedeutet, das sie an jenem Morgen geschlachtet hatte, wenngleich das dazu benutzte Messer just in Seiner Lordschaft linken Herzkammer steckte.
Das Recht des Erstgeborenen galt jedoch immer noch, wie in den beizeiten eingeleiteten Gerichtsverfahren bekräftigt wurde, in deren Ergebnis der legitime George Noel Gordon Lord Shaftoe, Vater des gegenwärtigen Lords, als der lange verschollene Erbe der Burg Kissane anerkannt wurde, inklusive all der Länderein, die immer noch nicht den Familien zurückgegeben worden waren, denen man sie vor Jahrhunderten so brutal entrissen hatte. Jetzt war der Sohn erschienen, um sein Erbe einzufordern.
All das war in Briefen offengelegt worden, die Mrs.
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