Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
wenn ihm in einem unabdingbaren Urteil und ohne jede Möglichkeit, Berufung einzulegen, klargemacht würde, dass er einer Fehlinformation aufgesessen sei, so dass er sich Illusionen hingegeben und Einbildungen genährt habe. Die Burg würde schließlich und endlich nie ihm gehören. Sie bliebe in alle Ewigkeit der Besitz von Kitty McCloud und Kieran Sweeney. Jedes Wort und jede Geste des heutigen Nachmittags würde vor seinen Augen Revue passieren, würde sich nach dieser Niederlage tief in seine Seele eingraben. Konnte sich Kitty wirklich den Anblick verwehren, den Seine Lordschaft, all seiner Anmaßung entkleidet, all seiner Illusionen beraubt, bot? Schon kamen ihr die Worte eines irischen Schriftstellerkollegen in den Sinn: »Enthalte dich noch der Glückseligkeit für eine Zeit …« 2
Überzeugt, diese noch größere Genugtuung bald genießen zu können, baute Kitty die zusätzlichen Kräfte ab, die ihr zugewachsen waren und die sie für das nun aufgegebene Vorhaben nicht mehr benötigte. Sie entspannte diegestrafften Muskeln, bedeutete ihrem Magen, sich zu entkrampfen. Und eigentlich durfte sie auch wieder die zusammengebissenen Zähne voneinander trennen und dem erhitzten Blut gestatten, aus den Wangen zu weichen.
Als jedoch Seine Lordschaft sich ihr zuwandte –mehr an ihr vorbeiblickte, als sie ansah – und dabei bemerkte: »Ja, das alles wird mir gut zustatten kommen«, da spürte Kitty, dass ihre Kraft erneut anschwoll und ihr Blut abermals in Wallung geriet. Abwärts mit ihm – ohne auch nur eine Minute zu warten.
Aber schon ergab sich eine Änderung der Lage: weit, weit hinten am Horizont, aus der See aufsteigend, breitete sich eine rosig gefärbte Wolke von einem Ende des Ozeans bis zum anderen aus. Das ersehnte Unwetter zog herauf, die Dürre, von der die Gerüchte umgingen, würde nicht über sie kommen. Die Rettung war nahe, dank der Wasser aus der Tiefe. Die Fischerboote strebten Dunquin zu. Die Dingle-Fähre setzte ihre Fahrt fort. Kitty fand zu ihrem zweiten Entschluss zurück. Sie würde abwarten. Das Gefühl auskosten, egal, wie lange die schwerfällige Gerechtigkeit bis zur Entscheidung brauchte.
Kitty forderte den Ärmsten auf, voranzugehen und die enge Treppe hinabzusteigen. Sie wollte die Falltür, die sich widerspenstig gebärdete, wegen des aufziehenden Sturms selbst schließen. Sie war sich ziemlich sicher, dass Brid und Taddy jetzt nicht bei ihren Beschäftigungen sein würden, und damit hatte sie recht. Denn, von Seiner Lordschaft unbemerkt, war die Harfe auf dem Schemel abgestellt worden, und auch das Schiffchen lag sicher auf dem Rahmen des Webstuhls. Ob die beiden sich irgendwo in dem größer werdenden Schatten aufhielten, wusste sie nicht, doch als das Licht eines Blitzes in den Raum zuckte, glaubte sie, hinten in der Ecke Brid zu sehen. Sie saß auf einem Schemel, hielt den Kopf gesenkt, und ihr schwarzes, schwarzesHaar fiel ihr über die Knie. Doch mit dem Krachen des Donners war alles ausgelöscht, denn plötzliches Dunkel füllte den Raum.
Nun ging Kitty voran und half dem Lord, wobei sie ihn – auf seine Bitte hin – an seiner feingliedrigen Hand hielt. Bevor sie die letzte Treppenflucht erreichten, von der aus es zu dem langen Gang ging, sagte der Mann plötzlich:
»Scarlet Feather?«
Tonlos erwiderte Kitty: »Maeve Binchy.«
»Ach ja. Natürlich. War sehr gut übrigens.«
Kitty führte ihn durch das zunehmende Dunkel über die Galerie und in die Große Halle. Das Gewitter hatte sich jetzt voll entfaltet, der Sturm brauste, Donner und Blitz genossen das Chaos.
»Einen Schirm haben Sie wohl nicht übrig?«, fragte Seine Lordschaft.
Lügen wollte sie nicht, und so erwiderte Kitty einfach: »Wer nass wird, wird auch wieder trocken.«
Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, dem zu entnehmen war, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, was sie meinte, schritt der Lord hinaus in das Unwetter. Während Kitty die Tür schloss, sah sie noch, wie er die rechte Hand hob, mit der Handfläche nach oben, wie um sich zu vergewissern, dass es wirklich auf des Lords ungeschützten Kopf zu regnen begonnen hatte.
Kapitel 8
Maude McCloskey, die Seherin – oder in Kittys Denkart mehr die Hexe – hatte vier Kinder. Das älteste war nicht daheim, sondern irgendwo in Cork, als Kitty sie aufsuchte, die anderen aber waren zu Hause. Zwei Mädchen und ein Junge, die Mädchen neun und fünf Jahre alt, der Junge irgendwo dazwischen, so um die sieben. Sie saßen auf der Erde,
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