Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
steckte. Der Verrat. Die Schuld. Einer schob es auf den anderen.«
Kitty machte den Mund auf und wieder zu, ehe sie einen Satz herausbringen konnte. »Deine Mutter … hat sie gesagt, wer ihr das vor langer Zeit erzählt hat … dass sie sich jetzt wieder entsann …«
»O nein.« Peters Augen waren über dem, was er erzählt hatte, traurig geworden. Er sah Kitty an. »Von dem letzten Teil der Geschichte hat meine Mutter nichts gesagt. Auch niemand anders hat darüber zu ihr gesprochen. Und mir hat es ebenfalls keiner gesagt. Es ist einfach etwas, das ich weiß, so wie ich hier stehe, und Sie meinten, Sie wollten es hören.«
Kieran schaute den Jungen an. »Du hast das alles erfunden. Hier und jetzt?«
»Nichts davon habe ich erfunden. Wie könnte ich mir so etwas ausdenken, wo ich doch erst sieben bin?«
»Ans Geschichtenhören bist du von Geburt an gewöhnt.«
»Die hier habe ich nie gehört. Ich weiß aber, dass sie wahrist, und auch ohne dass sie geglaubt wird, ist sie wahr. Sie wissen nun, warum nur Sie beide Brid sehen können. Und nur Sie beide sehen Taddy. Sie zeigen sich Ihnen, weil sie darauf gewartet haben, dass Sie kommen. Und sie haben Sie nie als die Schuldigen betrachtet, weil sie wussten, dass Sie es nicht mit Absicht getan haben. Es geschehen zu lassen, dass sie gehängt wurden, meine ich. Und nun sind Sie beide hier, und Brid und Taddy sind auch hier. Und mehr kann ich Ihnen nicht dazu sagen.«
Wieder hörten sie die Meisen rufen und antworten, und wieder konnte Kieran den Blick nur auf die Fuchsie heften, die sich aus der Hecke drängte. Kitty ließ das Handgelenk los und führte beide Hände, wie zum Gebet gefaltet, an die Lippen. Peter hielt den kleinen Steinbrocken über die gelöschte Feuerstelle und ließ ihn fallen. Dann verscharrte er ihn mit seinem Schuh in der Asche.
Kapitel 11
Auf Lollys Hof wuselten die Schweine um Kitty, Kieran und Aaron herum, jedes darauf versessen, am lautesten zu quieken, doch ein eindeutiger Sieger ließ sich nicht ausmachen. Unentschieden blieb auch, ob sie ihre Stimmen im Protest dagegen erhoben, am Spieß gebraten zu werden, oder ob alle miteinander darum bettelten, als Kandidat für diese Ehre ausersehen zu werden. Von denen, die die Wahl treffen sollten, war objektives Herangehen gefordert. Andere Fähigkeiten als nur Stimmvolumen und leidenschaftliches Anpreisen von Vorzügen wollten berücksichtigt werden, um zu entscheiden, wer aus dem Chor hervorgehoben und die Hauptrolle erhalten sollte. Eine leichte Aufgabe war das nicht.
Aaron hatte sich, wie man sah, als Schweinezüchter von beträchtlichem Talent erwiesen. (Kitty zog es vor zu bezweifeln, dass Gleiches auch von den noch zu beweisenden schriftstellerischen Fähigkeiten ihrer lebenslangen Freundin Lolly zu sagen war.) Alle Schweine waren richtig fett, und jedes schien in exzellentem Gesundheitszustand zu sein, was sich besonders in seiner Lungenkraft und der Fähigkeit zeigte, zu randalieren, wild umherzurennen und einander zu treten, während Aaron und Kieran und Kitty zwischen ihnen umherstaksten.
Obwohl bis zum großen Fest noch reichlich Zeit blieb, schien es ratsam, die Auswahl jetzt vorzunehmen, denn das auserkorene Schwein sollte von den gemästeten Exemplaren abgesondert werden, die schon in den nächsten Tagen dem Metzger zu überantworten waren.
Kieran hatte bereits einen Pferch neben den Schuppenauf der Burg gezimmert, um das dort als Dauergast weilende Borstenvieh daran zu hindern, auch den Trog des auserwählten Schweins leer zu fressen. Das durfte nicht der Magersucht anheimfallen, denn damit wäre es unwürdig, am Spieß gebraten zu werden. Auch wollte man weiteren Verwüstungen auf dem Burggelände vorbeugen. Man hatte nämlich beschlossen, den Rüsselring des ansässigen Tiers nicht zu ersetzen; sollte doch der von ihm angerichtete, sichtbare Schaden Seiner Lordschaft als Erbe zufallen. Es wäre außerdem unfair gewesen, dem einen Schwein seine Wühltätigkeit nicht zu erschweren, wohl aber dem anderen. Schon schlimm genug, das erwählte Schwein zu opfern, während sein Artgenosse verschont blieb. Höchst unfair war auch, dass eines von ihnen nur in seinem Pferch herumschnüffeln durfte, während dem anderen für seine zerstörerischen Streifzüge die ganze Umgebung offenstand. Diesen bescheidenen Versuch, die beträchtlich schiefhängende Waage der Gerechtigkeit ins Gleichgewicht zu bringen, hatten beide, Kitty und Kieran, gutgeheißen. Es lag ihnen daran, auf der Burg
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