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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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leicht und mühelos zu bewegen, Worte, die ihr sonst so leicht fielen, zu formen. War er gekommen, um sich nach dem Verbleib seiner Überreste zu erkundigen, wollte er nur einen Tipp, wo sich der Ort seiner endgültigen Bestattung befand? Würde er Kitty für das Verschwinden seiner sterblichen Hülle verantwortlich machen? Das Einzige, was Kitty im Augenblick hoffen konnte, war, dass er sich, wie Taddy und Brid es immer machten, in Nichts auflöste. Er hatte doch erreicht, was er erreichen wollte, nämlich seine Gegenwart anzukündigen mit dem Versprechen, von Zeit zu Zeit wieder zu erscheinen. Abweichend von der für Geister geltenden Verhaltensregel würde er allerdings mit ihr und Kieran reden.
    Aber er verschwand nicht. Der Beutel, den er trug, wechselte von der linken Hand in die rechte, wobei die darin befindlichen Werkzeuge klirrend aneinander stießen. Fast klang es wie das Gerassel aufgelesener Knochen. Wollte er ihnen vielleicht vor die Füße werfen, was er vom Meeresboden aufgeklaubt hatte? Würde diese Begegnung zum Zusammentreffen der Lebenden und der Toten werden, zwischen Declan Toveys unzerstörbarem Geist und ihrer und Kierans nun auf die Probe gestellten Leichtgläubigkeit? Wenn Declan gekommen war, um anzuklagen, so sollte er es bitte schön tun. Am liebsten hätte sie ihm zugerufen: »Nun fang schon an und bring es zu Ende, ein für alle Mal!«
    Doch sie kam nicht dazu, diesem Impuls nachzugeben. Noch etwas anderes stimmte da nicht. Der tote Declan glich keineswegs dem lebenden. Das musste sein Geist sein! Dem Gesicht fehlte die belustigte Aufforderung, die den Betrachter verlockte, das Geheimnis zu enträtseln, das sich in dem wissenden Lächeln verbarg. Auch der einen verunsichernde starre Blick war dahin, der in den Tiefen der dunklen, dunklen Augen Geheimnisvolles vermuten ließ. Selbst die hochgewölbten, dichten schwarzen Augenbrauen zeigten keine Verwunderung mehr, wenn er sich fragte, ob das Objekt seiner forschen Blicke Verlockungen besaß, denen er nicht widerstehen konnte. Das Gesicht, das immer so lebendig gewesen war, so eifrig danach gehungert hatte, bislang nicht erträumte Freuden zu spenden, war verfallen – nicht altersbedingt –, es entbehrte die Unterstützung durch einen stets wachen Geist, die spannende Erwartung auf eine anregende Begegnung, die Verheißung von etwas Abenteuerlichem, das sein Gegenüber noch nicht ahnte.
    Am beunruhigendsten aber waren seine Augen. Noch immer schienen sie unerforschlich tief, hatten unendlichen Kummer in sich aufgenommen, ihn nicht in Tränen ertränkt, sondern ihm Zuflucht gewährt, boten einen sicheren Hort für unstillbares Leid. Die Augen spiegelten eine Verstörtheit, ein ständiges Forschen, eine unentwegte Suche nach einer verlorenen Hoffnung, die sich vielleicht erfüllte, falls die Götter ihren Segen spendeten, der selbst die Kraft ihrer Göttlichkeit übersteigen würde. Seine Stimme klang zaghaft, hatte nichts mehr vom früheren Selbstbewusstsein. Eine Traurigkeit schwang in ihr mit, die dem Kummer in den Augen entsprach. Und bevor Kitty sich dessen erwehren konnte, stieg ein Mitleid in ihr auf, ein Sehnen, das ihren Körper wie einst durchdringen würde, wenn sie dem nachgab.
    »Und vom Haus ist nichts wieder zum Vorschein gekommen«, fragte Declan. »Ich meine nicht das Haus selbst, das war aus Stein, davon kann nichts auftauchen – aber vielleicht etwas anderes, das mit in die See gerissen wurde – nichts ist aufgetaucht?Nichts als Strandgut angeschwemmt? Oder hast du dir nie die Mühe gemacht, danach zu schauen?«
    »Nichts«, bestätigte Kieran.
    »Und, Kitty, du …?« Declan sah sie so eindringlich bittend an, dass sie auf ihre Schuhe blicken musste, Sneakers, Fußbekleidung, die sie bisher immer verschmäht hatte. So alltäglich, so unwesentlich waren die im Moment, dass Kitty beschämt wieder aufblickte, dem Mann ins besorgte Angesicht. »Nein«, flüsterte sie. »Ich habe mehrfach nachgeschaut, gehe von Zeit zu Zeit immer wieder hin, doch aufgetaucht ist nichts.«
    Am liebsten hätte sie hinzugefügt: »Nicht mal deine Knochen, falls du die vermisst.« Aber sie brachte nicht den Mut auf, das einzige Thema zu berühren, das über dem ganzen Gerede hing: Nämlich, dass er tot war, dass er ein Gespenst war. Doch schon im nächsten Moment sagte sie sich: Vielleicht war ihm diese einfache Tatsache gar nicht bewusst. Und wenn dem so war, wie konnte sie dann den Schmerz verstärken, unter dem er so offensichtlich litt,

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