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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Augenblick, und er setzte sich auf, reckte beide Arme in die Höhe, sahDeclan an, grinste, zuckte die Achseln und beglückwünschte sich, dass es nicht schlimmer gekommen war, hatte er doch die Anweisung des Meisters, nicht waghalsig zu sein, missachtet.
    Er stand auf, setzte den Fuß auf die unterste Sprosse der Leiter und kletterte wieder nach oben, als ob nichts gewesen wäre. Gemeinsam arbeiteten er und Declan bis Sonnenuntergang. Auf dem Rückweg zum Lieferwagen blieb Michael stehen, lehnte sich am Straßenrand gegen einen Zaun, der einen Schafpferch abgrenzte, sackte langsam zu Boden; sein Gesicht war eher verwundert als schmerzverzerrt. Er suchte einen Halt für den Kopf und wollte die Beine ausstrecken, aber sie rutschten ihm seitlich weg, und der Körper kippte vornüber. Michael war tot.
    Declan ließ sich neben ihn nieder und richtete den Körper in eine sitzende Position auf. Damit er nicht wieder wegkippte, legte er die Arme um die Schultern des Jungen und zog ihn näher an sich heran. Er wollte ein Weilchen warten, dann den Leichnam zum Krankenhaus ins nächste Dorf schaffen und berichten, was geschehen war. Die Behörden würden schon die Familie des Jungen ausfindig machen und dafür Sorge tragen, dass er vernünftig unter die Erde kam.
    Die Zeit verstrich, und sie saßen immer noch dort. Declan musste an die vielen Male denken, da er zu müde gewesen war, um weiterzuziehen (schwer vorstellbar, dass ihm das passierte), und wie dann der Junge alte Geschichten und Legenden erzählt hatte, teils mündlich überlieferte, teils von einem
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festgehaltene Geschichten aus uralten Zeiten. Einige wie die um Finn MacCumhail hatte Declan selbst gekannt, andere aber noch nie gehört, »Die alte Frau in der Truhe« zum Beispiel oder »Wie der verschlagene Tadgh auf die Insel kam«. Und nun war der Junge tot, lehnte leblos an seiner Schulter.
    Langsam wurde es dunkel. Über dem Berg stand der Halbmond. Declan ging zum Lastwagen, machte die Tür zum Beifahrersitz auf, ging zurück, bückte sich und nahm den Leichnam in seine Arme. Beine und Arme des Toten baumelten schlaff herab, den Kopf aber hielt Declan sorgsam in seinem Arm gebettet.Er setzte den Jungen auf den Beifahrersitz und achtete darauf, dass der Kopf nur ganz sacht auf die Brust sank.
    Anschließend begab er sich auf die Fahrerseite, stieg ein und ließ den Motor an. Er sah den herabhängenden Kopf. Es sah aus, als schämte sich der Junge, weil er etwas Unrechtes getan hatte und nun nicht mehr wagte, den Kopf zu heben. Declan fasste das Kinn, richtete den Kopf auf und lehnte ihn gegen den Sitz. Er sackte wieder ab. Declan legte den Gang ein, brachte es aber nicht fertig, Gas zu geben. Er konnte es nicht ertragen, den Kopf so beschämt gesenkt zu sehen.
    Er zog den leblosen Körper dichter an sich heran, sodass der Kopf an seiner Schulter ruhte, und fuhr los.
    Langsam fuhren sie durch die Dunkelheit, und Declan wurde sich darüber klar, warum er so lange dagesessen und nicht imstande gewesen war, den toten Jungen von der Erde aufzuheben. Nie würde er den Burschen anderen übergeben können, damit sie ihn irgendwo bestatteten, falls man seine Familie nicht fände. Er selbst würde sich gen Norden auf die Suche nach den Angehörigen begeben. Erst war es nur ein Gedanke, der reifte zum Entschluss und schließlich zum heiligen Gelübde. Einstweilen würde er den Toten an einem sicheren Ort bestatten, wo er bis zu seiner Rückkehr gut aufgehoben wäre.
     
    Im Haus war alles dunkel gewesen, als Declan den Garten von Kitty McCloud erreichte. Er hatte die frisch umgepflügte Erde gesehen, eine Arbeit, die Kieran Sweeney erledigt hatte, eingeschworener Feind von Miss McCloud und aller, die zu ihrer Sippe gehörten, andererseits aber ihr glühender Verehrer, doch eine Jahrhunderte alte Fehde verbot ihm, seine Leidenschaft zu bekennen. Von Jugend an aber lockerte er heimlich allen Widrigkeiten zum Trotz Jahr um Jahr mit seinem kleinen Pflug das Erdreich in ihrem Garten, damit sie ihn nach Belieben bestellen konnte, und meist pflanzte sie Kohl an.
    Sehr tief war nicht gepflügt worden. Declan konnte ohne große Mühe mit einem Spaten, der am Geräteschuppen gestandenhatte und eigentlich zum Torfstechen diente, ein Grab ausheben. Es sollte ja nur ein Provisorium sein, über kurz oder lang würde er den Toten nach Norden schaffen können. Als er tief genug gebuddelt hatte, machte er eine Pause, setzte sich und zog den rechten Stiefel aus. Er tastete das Innere

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