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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Der Nebel hob sich und verschwand in den tief hängenden Wolken. Declan wandte sich nach rechts und warf einen letzten Blick auf den Strand. Was immer sich dort fand, es würde warten müssen. Ganz kurz überlegte er, was wäre, wenn er mit der Suche fortführe. Die Flut würde unweigerlich steigen, er würde weitergehen, das Wasser weiter steigen, den Rand der Felsklippe erreichen, immer noch steigen. Declans Füße, Knöchel, Waden, Schenkel, Brust, Schultern, Hals und Kopf würden das Wasser zu spüren bekommen, und er würde immer noch laufen. Die Fluten würden ihn auf den Meeresgrund ziehen, hinab in Michaels Grab, wo sein Lehrjunge schon wartete, in der Bewegung des Wassers leicht schwebend und schwankend. Unverändert würde er sein, noch genauso aussehen wie damals, als ihn Declan zwischen Kitty McClouds Kohlköpfe gebettet hatte.
    Das Wasser war näher gekommen. Der Gedanke, die Suche nicht aufzugeben, verflüchtigte sich. Weiter vor zu Michael würde sich Declan nicht wagen. Er würde lernen zu leiden – sogar dankbar sein, dass der Kummer sein Partner blieb. Mankonnte auch später wiederkommen, sich erneut auf die Suche machen, vielleicht sogar etwas finden.
    Wenige Schritte von den Steinstufen entfernt bemerkte er ein Buch, das aufgeschlagen an einen Felsbrocken gespült war. Er ging hin und hob es auf. Es musste schon lange im Wasser gelegen haben, denn es war völlig durchweicht, und die meisten Blätter klebten zusammen. Salzgeruch entströmte dem Band, während er mit mäßigem Erfolg versuchte, in den Seiten zu blättern. Es war ein merkwürdiges Gefühl – die Wörter wirkten wie Tränen, die auf ein Blatt Papier gefallen und dann zusammengefügt waren, nicht wie mit Tinte geschrieben oder gedruckt. Dass das Buch im nassen Abgrund gelegen hatte, war nur recht und billig, denn auf der Titelseite las Declan
Edith Wharton, The House of Mirth
.
    Einst hatte es auf den Bücherregalen von Kitty McCloud gestanden. Soviel wusste er, es war ein Buch, das ihrer berüchtigten »Korrekturen« bedurfte. Sollte er es Miss McCloud zurückbringen? Da es gewissermaßen aus Michaels Grab kam, hatte er selbst ein Anrecht darauf. Aber was sollte er damit anfangen? Ob ihm das Meer im Austausch dafür etwas Persönlicheres geben konnte? Die Baseballkappe zum Beispiel?
    Er würde Kitty das Buch bringen. Es war ihrs, nicht seins, nicht Michaels. Die Kappe ja, die würde er nehmen. Etwas anderes nicht.

Kapitel 4
     
     
    Das schielende Schwein schrie und quiekte, als würde es von tausend Dämonen gemartert, dabei versuchte man nur, es dazu zu bewegen, auf eine Rampe zu gehen und von dort auf Lollys und Aarons Truck zu trotten, um zur Burg Kissane gebracht zu werden. Mit erhobenem Kopf und zurückgelegten Ohren flehte es zu den Göttern, falls es welche gab, die das Lamentieren eines Schweins erhörten, Mitleid mit seinem Elend zu haben, seine Würde zu achten und seine Peiniger zu bestrafen. Letzteres geschah zwar nicht, aber sein Flehen wurde mit neuer Stimmkraft belohnt – das Schwein rebellierte in immer höheren Tönen, die für das menschliche Ohr unerträglich waren.
    Aaron gab ihm erneut einen Klaps auf den Hintern. Das Schwein ging wie ein Pferd auf die Hinterbeine und hätte Aaron, wenn es gekonnt hätte, Paarhufer, der es war, gern niedergetrampelt. »Mach ihm klar, dass es auf die Burg zurückgeht und nicht zum Schlachthof«, forderte er seine Frau auf.
    »Das hab ich ihm schon gesagt. Es hört einfach nicht.«
    »Ich versteh dich nicht bei dem Lärm.«
    Unseligerweise hatte Lolly ihren Spaß an Verwirrspielen und kleinen Katastrophen, eine Eigenart, die ihr in der jetzigen Situation zu Hilfe kam. Ihr fröhliches Lachen vermischte sich mit dem Gequieke des Schweins; frohgemut bestieg sie die Rampe und kletterte auf den Lastwagen. Dort ging sie bis nach vorn zur Fahrerkabine, drehte sich um und rief ihrem Mann zu: »Los, komm auch rauf!«
    »Ich soll was?«
    Mit betonter Bewegung der Lippen wiederholte Lolly die Worte.
    Aaron verstand. »Weshalb?«, brüllte er zurück.
    Lolly gestikulierte wild und bedeutete ihm, ebenfalls raufzusteigen.Er kletterte auf der Rampe nach oben. Kaum war er dort, stieß Lolly die Rampe weg und schloss die Ladeklappe. Das Schwein verstummte.
    »Dreh dich um und komm hierher«, gebot Lolly ihrem Mann. Sie ging ans andere Ende der Ladefläche, und Aaron folgte ihr. »Was soll das?«
    »Wir geben dem Schwein einfach zu verstehen, dass wir allein abfahren und es hier

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