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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Der alte Zugang vom Haus der McClouds zum Meer war in den Tagen der Unterdrückung ein Fluchtweg für verfolgte Priester gewesen. Nur die Stufen hatten den Ansturm der unersättlichen Wogen überlebt, dem das Haus und das Grab des Jungen zum Opfer gefallen waren. Ja, es war eindeutig ein Lastwagen, kein anderes Gefährt würde so viel Krach machen. Zu seinem Ärger fuhr der Laster nicht vorbei, war weiter weg stehen geblieben, wo genau, konnte er nicht sehen, aber es war wohl doch nahe genug, dass man ihn würde entdecken können, wenn sich der Nebel hob oder auf das Wasser senkte. Jetzt vernahm er Stimmen, sie klangen erregt, wenn auch gedämpft. Fiel da sogar sein Name? Doch das konnte auch ein Trugschluss sein, weil das Motorengeräusch ihn aus seiner Versenkung gerissen hatte.
    Mit Bedacht wanderte er am Rande des Steilufers entlang, langsamer als gewöhnlich, in einem Schrittmaß, das den Umständen angepasst war. Er wollte nicht dahin, wo das Haus gelandet war, der Garten, das Grab, wollte nicht von der Höhe in das Wasser stürzen und von den Fluten verschlungen werden. Dann fand er die ersten Stufen, etwas weg vom Klippenrand, von Unkraut überwuchert. Er begann den Abstieg, immer noch mit Bedacht, immer noch langsam. Die Stimmen waren nicht mehr zu hören, vielleicht sprach auch niemand mehr. Vermutlich hatte ihn niemand bemerkt.
    Die sich verdichtende Nebelhülle hielt ihn umschlungen, wiegte ihn in der Gewissheit, ihn in seinem Verlangen nach Einsamkeit zu schützen, in seinem Bedürfnis, von der Welt und allen Menschen in ihr unbehelligt zu bleiben. Er wollte bei seiner Suche mit sich allein und unbeobachtet sein.
    Er erreichte das Ende der Stufen und hatte den unebenen Strand unter den Füßen, stolperte über einen Stein und tastete sich vorsichtig vorwärts, drohte, bei unerwartetem Rutschen das Gleichgewicht zu verlieren. Nicht, dass er auf den Untergrund nicht geachtet hätte. So dicht war der Nebel nun wieder auch nicht, aber seine Augen waren nicht auf mögliche Hindernisse, die sich ihm in den Weg legten, gerichtet, sondern suchten den Grund nach Dingen ab, die das Meer, seiner überdrüssig, an das Ufer gespült hatte, mochten sie auch noch so winzig sein. Declan war töricht genug –
besessen
wäre vielleicht das bessere Wort – zu glauben, er könnte außer Seetang noch etwas anderes finden. Er war töricht genug, darauf zu hoffen, einen Kleidungsfetzen, vielleicht sogar die Kappe, oder wenn es ganz schlimm kam, den zertrümmerten Schädel zu entdecken, in dem sich die Fische schon ein Zuhause eingerichtet hatten. Egal, was. Nur irgendetwas, das er in Händen halten konnte und das zu dem verlorenen Jungen gehörte. Was immer es sein mochte, festhalten wollte er es, um ein letztes Lebewohl sagen zu können, das er sich doch für später aufgehoben hatte, für die Bestattung des Jungen in seiner heimatlichen Erde.
    Würde er etwas finden, würden ihm auch die richtigen Worte einfallen. Er würde sie sagen, auf die Flut warten und das teuere Erinnerungsstück wieder dem Meer überantworten. Das war alles, was er wollte. Er wollte teilhaben dürfen, beim Leichenbegängnis dabei sein. Michael durfte nicht einfach zur letzten Ruhe gebettet werden – ob in Kinvara oder in der See –, ohne ein Zeichen, eine Geste, ein Einverständnis, diese Welt zu verlassen, ohne zu wissen, dass Declan ihn in den ewigen Frieden entließ, den nur der Tod geben kann.
    Treibgut gab es die Hülle und Fülle. Vom Wasser glatt geschliffeneStücke, sauber gewaschen, auch solche jüngerer Natur, noch rau und splittrig, Bruchstücke von einem gesunkenen Boot, zurückgeschwemmt zu den Menschen, die keine Verwendung mehr für sie hatten. Tang und Algen, zu einem noch schäumenden Wirrwarr gebündelt, gaben Zeugnis, wie weit die Wellen ans Ufer vorgedrungen waren. Auch Plastikflaschen lagen herum, natürlich ohne den bestechenden Glanz von Glasscherben, die es mit der schillernden Pracht von Kirchenfenstern aufnehmen konnten. Das waren noch Zeiten, als Glaube und Ruhmespracht für untrennbar gehalten wurden. Er fand sogar einen Schuh, aber es war keiner von Michael. Er nahm ihn gar nicht erst auf, hielt auch nicht Ausschau nach dem zweiten.
    Er blieb stehen und schaute auf den Atlantik. Die kräftiger heranrollenden Wellen hatten ihm nichts von dem gegeben, was er gesucht hatte. Er würde ihnen nicht grollen. Das Meer war das Meer. Sich ihm zur Wehr setzen zu wollen, war absurd.
    Die Flut kam. Der Uferstreifen wurde schmaler.

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