Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Ausgeschlossenseins. Er hätte etwas darum gegeben, hätte er ihre Reise in Ruhm und Ehren enden lassen können.
Doch Kräfte dieser Art waren ihm versagt. Nie hatte er etwas von den Riten erfahren, mit denen er ihnen den Weg hätte ebnen können. In jungen Jahren hatte er sie beschworen, mit ihm zu sprechen, ihm mit Gesten oder Mimik zu bedeuten, wie er hätte helfen können. Aber auch sie waren in ihrer Macht beschränkt. Sie warteten nur mit ihrer Gegenwart auf. Mit vierzehn hatte er beschlossen, die Burg in Zukunft zu meiden. Schon der bloße Anblick von Brid war mehr, als er mit seinen erwachenden Trieben ertragen konnte. Er würde nicht bei seinem Vater, sondern bei einem umherziehenden Dachdecker in die Lehre gehen. Er würde sein Dorf, sein Land verlassen. Er würde sich auf die Wanderschaft begeben, ab und an zurückkehren, aber nie zur Burg. Doch jetzt in seinem Kummer war er gekommen, um Trost bei ihnen zu finden – all sein Hoffen und Wünschen und Beten ging dahin, dass sein geliebter Toter, sein Michael, den das Meer zu sich genommen hatte, sich zu ihnen gesellen würde, dass man dem Jungen gewähren würde, ihr Gefährte zu sein. Doch Brid und Taddy hatten keinerlei Einfluss darauf. Ein Schatten konnte keinen Schatten rufen. Wohl konnten die beidengöttliche Sendboten sein, doch ihre Botschaft war Schweigen, und Declan war gleich ihnen zum Schweigen verdammt.
Von Lolly aber konnte er vielleicht Dinge erfahren, die von Bedeutung waren. Die Zerstörung der Burg würde Brid und Taddy erlösen können? Angeblich hatten Kitty und Kieran das der Frau hier gesagt. War es geheimes Wissen oder Wunschdenken gewesen? Wenn sie es wussten, musste er es herausfinden.
Lachend knuffte und stupste Lolly das dösende Schwein. Trotz aller Mühen erntete sie nur ein gelegentliches Grunzen. Der geisterhafte Artgenosse beobachtete sie argwöhnisch, senkte den massigen Kopf und bereitete sich auf einen Angriff vor – als wäre er dazu noch imstande.
Lolly verlegte sich nun auf die empfindlicheren Körperteile des Schweins und versetzte fröhlich jauchzend dem Schwein einen Schlag auf die Schnauze. Das Schwein quiekte laut auf, mehr aus Empörung als aus Schmerz. Von seiner Regung ermutigt, wiederholte Lolly den Schlag, woraufhin sich das Schwein erhob. Sein Quieken und Kreischen nahm merklich an Tonhöhe und Lautstärke zu. Es kam aus dem Verschlag getrottet. Auch sein wachsamer Gefährte hob die Schnauze gen Himmel, vermochte jedoch nicht, seinen Protest vernehmbar von sich zu geben.
Mit oft geübten Tricks wurde das Schwein in Richtung des wartenden Lasters manövriert. Bei seinen vergeblichen Versuchen, sich der entwürdigenden Behandlung zu widersetzen, merkte es nicht, in welche Falle es ging. Lolly kannte kein Pardon, mit erbarmungslosen Knüffen und Hieben trieb sie das Schwein auf die Rampe, bis sie es schließlich auf der Ladefläche hatte. Sie schob die Rampe mit hinauf und verschloss die Ladeklappe. Das Schwein tat weiterhin seine Empörung kund, während sein geliebter Partner sich mit seinem gewaltigen Kopf und den massiven Schultern unter den Truck stemmte, als wollte er ihn umkippen. Wäre das Tier noch mit seinen irdischen Kräften ausgestattet gewesen, hätte ihm das durchaus gelingen können, davon war Declan überzeugt. So aber waren all seine Mühen umsonst.
Als käme ein Retter in der Not, fuhr ein cremefarbener Bentley auf den Hof. Ohne Rücksicht darauf, dass es die Ausfahrt des Lasters blockierte, hielt das Auto an und hätte sich an dessen Stoßstange fast die Tür der Beifahrerseite aufgeschrammt. Ein Mann in mittleren Jahren, gekleidet in Leinen und Seide in gedämpften Farben, entstieg dem Bentley. Auffällig war der lässig um den Hals geschlungene Schal, der vermutlich den Kragen des Jacketts schonen sollte – edelste Rohseide, die von Geld, Rang und Privilegien zeugte. Der Mann machte einen ungemein hochnäsigen Eindruck, und Declan hatte Mühe – ähnlich dem Schwein –, nicht einen entrüsteten Grunzer von sich zu geben. Mit einem herablassenden Lächeln bewegte sich der Mann auf Lolly zu, die hinten an ihrem Laster stand. »Ich bitte um Verzeihung, dass ich unangemeldet erscheine«, erklärte er, »aber ich war zufällig hier in der Nähe unterwegs und dachte, ich sollte mal bei Mr und Mrs Sweeney vorbeischauen, die, wenn ich mich nicht irre, hier auf der Burg ihren Wohnsitz haben.«
»Sie sind nicht da«, erwiderte Lolly kurz und knapp.
»Ach, wie schade. Aber es ist natürlich
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