Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Declan Lolly sagen. »Und wälzt sich richtig drin, ehe er sich wieder hochrappelt. Vielleicht sollte ich reingehen und ein wenig nachhelfen.«
Declan war schon im Gehen, um sich wieder seiner Dachdeckerei zu widmen, als er den Lord, mühsam humpelnd herauskommen sah. Kieran bot ihm am linken Arm festen Halt. Frischer Kuhmist ließ den linken Schuh nur noch erahnen. Lolly ergötzte sich schadenfroh an dem Anblick. Vergeblich stampfte der Lord mit dem Fuß auf, der Dreck saß fest. »Dass da überall, wo man hintritt, Kuhfladen herumliegen, hatte ich nicht erwartet.«
Kieran nahm das Missgeschick seines Gastes sichtlich erheitert zur Kenntnis. »Ich hatte Sie ja gewarnt.«
»Trotzdem war mit der Größenordnung beim besten Willen nicht zu rechnen.«
»Dafür haben Sie jetzt wieder trockenen Boden unter den Füßen. Leben Sie wohl, ehe Sie eine weitere Bescherung ereilt.«
Kieran steuerte ihn zu dem Bentley und öffnete sogar die Tür für ihn. Der Lord zögerte mit dem Einsteigen. »Vielleicht gestatten Sie mir ein paar Schritte auf dem Gras dort … um … um … Sie sehen ja, mein Schuh ist arg verschmutzt.«
»Das ist kein Gras. Das ist unser Garten, und der ist bereits bestens gedüngt, danke.«
»Gewiss kann mir jemand hier beispringen und …«
»Derlei Dienstleistungen gehören nicht zur Gastfreundschaft des Hauses. Leben Sie wohl, Mr Shaftoe.«
Der Lord stieg ein, schlug die Tür zu, ließ unnötig laut den Motor an, wendete rasant, dass der Kies aufspritzte, und raste davon. Kieran klopfte sich den Staub und Schmutz von den Hosen – das Intermezzo Lord Shaftoe war für ihn beendet.
Er nickte Declan und Lolly zu und ging hinüber zum Garten, wo er mehr oder weniger wahllos etwas pflückte oder aufsammelte. Das seiner Freiheit beraubte Schwein stemmte sich gegen die Ladeklappe des Lasters, schrie und quiekte, als ginge es bereits ums Schlachten. Lolly kletterte in ihren Wagen und fuhr ab. Das Geisterschwein lief los und stellte sich dem Laster in den Weg. Erreichen konnte es damit nichts. Der Wagen fuhr drauf los, und hinter ihm tauchte das Schwein unversehrt mitten auf der Straße wieder auf, ein Beweis dafür – falls es denn eines Beweises bedurfte –, dass die Welt der Geister ohne die Hilfe eines irdischen Verbündeten nichts ausrichten konnte.
Mit zunächst gesenktem, dann erhobenem Kopf schaute es ein, zwei Momente zur Tür der Großen Halle, die noch offen stand, und trottete hinein. Natürlich wusste Declan, dass das Tier keine offene Tür nötig gehabt hätte, um in die Halle zu gelangen, doch er nutzte die Gelegenheit und folgte dem Schwein.
Die Stelle mit dem verschmierten Kuhfladen, auf dem der Lord ausgerutscht war, war nicht zu übersehen. Zu übersehen war aber auch nicht das Schwein, das nach oben starrte. Und dort oben an dem großen Kronleuchter mit den hundert Kerzen hingen an groben Stricken Brid und Taddy, ihre leblosen Körper schwangen in dem Luftzug, der durch die offene Tür entstand, sacht hin und her. Ergreifend, die schwarzen und geschwollenen Zungen, die herausquellenden Augen.
Nie zuvor hatte Declan dieses Bild gesehen. Nie hatte man ihn auf eine solche Möglichkeit vorbereitet. Er musste sie da herunterholen. Schnell. Doch noch ehe er an die Tür gelangte, um das nötige Werkzeug herbeizuschaffen, ging ihm auf, dass auch die Stricke nur Geisterspuk waren, sich seinem Eingreifen widersetzen würden. Er drehte sich um, sah erneut hin. Langsam schwebten sie umher, aufeinander zu und wieder voneinanderweg. Die leblosen Augen vermochten sich gegenseitig keinen Trost zu spenden.
In nahezu feierlichem Ernst kniete Declan Tovey in dem dick gestreuten Stroh nieder, senkte die Stirn in den viehischen Gestank. Mit ausgestreckten Armen legte er einen Eid ab. Er würde sie befreien, sie erlösen. Was immer ihm das auch abverlangte, er schwor, Mittel und Wege zu finden.
Er erhob sich und blieb stehen. Die beiden waren verschwunden. Auch das Schwein. Er stand allein in dem riesigen Raum inmitten von Scheiße und Pisse. Eine heilige Stätte und derart entweiht. Ja, er würde die Dächer der Ställe decken. Noch heute würde er damit fertig werden, noch diese Stunde, dann die Kühe hier hinaustreiben, sodass nur noch frische Seeluft vom Meer hereinströmte. Ja, das würde er tun und sein Leben als erfüllt betrachten. Das war es, weshalb er als Nachgeborener seiner Vorfahren, die er in Ehren hielt, auf Erden weilte. Es sollte vollendet, vollbracht werden.
Als er hinausging,
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