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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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»Ich … ich habe was getan? Und was soll ich gesagt haben?«
    »Alles.«
    »Ich weiß doch aber nichts.«
    »Du weißt alles. Er fiel vom Dach, überlebte noch den Tag, lehnte sich an eine Steinmauer und … und …«
    Wieder machte Kitty die Faust auf und starrte auf das, was sie da hielt. »Nein! Ich weise das zurück. Ich habe nichts gesehen. Ich weiß nichts. Ich schwöre es!«
    »Kann ja sein, du weißt jetzt nichts. Du wusstest es aber, als du darüber gesprochen hast.«
    »Nein. Ich weise das zurück. Hörst du? Ich weise es zurück.«
    »Was weist du zurück?«
    »Dass ich … etwas weiß … etwas sehe …«
    »Du hast einen Jungen gesehen, hast du gesagt, ein junger Mann lag in einem Grab und ist nun im Meer.«
    »Das hätte ich gesagt? Niemals!«
    »Du hast es aber gesagt. Auch, dass er ein Lehrling war …«
    »Ein Lehrling? Ja, das … ach das! Das würde Sinn machen. Ich werde wohl darauf angespielt haben, wie du auf Peter und seine Bitte, dein Lehrling sein zu dürfen, reagiert hast. Vielleicht habe ich …«
    »Und wusstest du nicht auch, dass ich in den Norden gezogen war, um die Familie ausfindig zu machen? Um ihn dort zu beerdigen, damit er nicht hier seine letzte Ruhe finden musste, wo ihn niemand kannte?«
    »Ich … ich …«
    »Und wussten wir nicht beide, dass das Meer nach ihm verlangte – schön und liebenswert, wie er war?«
    »Auch das habe ich gesagt?«
    »Ja.«
    »Dann … dann habe ich es erfunden. Anders kann es gar nicht sein. Ich … ich bin Schriftstellerin. Ich erfinde die ganze Zeit etwas. Ich schmücke die Dinge aus. Ich mache sie so interessant wie …«
    »Dann aber wurde das Meer seiner gewahr«, fing Declan an, ihre Worte zu wiederholen, »dass er der Erde zurückgegeben werden sollte. Wütend bäumte es sich auf. Zu schön war der Bursche, liebenswert und gut. Das Meer wollte ihn für sich. Es rief die Winde herbei …«
    Kitty schleuderte die Scherbe auf den gestapelten Müll. »Das hat Maude McCloskey getan! Sie … sie … Maude. Es war Maude. Sag ihr an meiner statt, ich weise es zurück! Ich will keine Hexe sein! Es ist schrecklich, was sie da angerichtet hat.«
    Ein Krähenschwarm kreiste über ihnen, veranstaltete förmlich einen Hexentanz und verspottete krächzend Kittys Protest, flog hoch über die Zinnen der Burg, stieß wieder herab und machte sich auf der Suche nach Beute über den Haufen Unrat her. Aus einem Rachegefühl heraus wollte Kitty schon drohend die Faust erheben, merkte aber, dass Declan gar nicht mehr da stand, wo er eben noch gestanden hatte. Er ging zum Schuppen ganz hinten zurück, langsam, mit gesenktem Kopf.
    Kitty wusste jetzt, warum er so gramerfüllt war. Augenscheinlichhatte sie – unwissend, aber allsehend – von dem Tod des jungen Mannes gesprochen, von der Wanderung seines Herrn und Meisters in den weiten Norden. Und nun fand er nicht mal mehr das Skelett vor, konnte nicht die Trauerfeierlichkeiten ausrichten, die ihm so am Herzen gelegen hatten.
    Er schleppte weiteres Zeug aus dem Stall an und warf es auf den Stapel zu dem Übrigen. Die Krähen ließen sich auf dem frisch gesetzten Dachbalken des Stalls nieder und warteten ab. Auch das Schwein war noch da; in der Hoffnung, etwas Interessantes ans Tageslicht zu befördern, schnüffelte es in altbekannter Manier herum. Kitty drängte es, zu Declan zu gehen, mit ihm über den Kummer zu sprechen, den sie nun auch selbst empfand. Kummer um ihn. Um den toten jungen Mann. Um Declans Verlust, der durch nichts gemildert werden konnte.
    Ganz oben auf den Haufen hatte er ein farbiges Laken und ein Kissen, aus dem Federn quollen, gepackt. Das schien das Letzte aus dem Stall zu sein. Er stand da und betrachtete das vollendete Werk.
    Eine Krähe flatterte herab und setze sich auf das ausrangierte Kissen, breitete die Flügel aus und nahm eine Besitzerpose ein. Das Schwein hingegen besann sich auf seinen Geisterstatus und verschwand in der unteren Hälfte des aufgestapelten Hügels. Es musste etwas gesichtet haben, das seinen Vorstellungen entsprach und zu einer letzten Inspektion mit dem Rüssel lockte.
    Kitty hielt es schließlich doch für besser, Abstand zu wahren. Sie würde Declans Wunsch nach Einsamkeit respektieren, ihn seinem Gram überlassen, den er mit sich allein ausmachen wollte. Sie würde es nicht wagen, ihr Mitleid zu bekunden oder sich über ihre eigenen neuerlichen Sorgen zu äußern, und so machte sie langsam kehrt, ging aber nicht zur Burg zurück, sondern nahm sich die Hänge

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