Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
der Anrede beliebt. Ich will gewiss nichts Besseres sein als jeder andere, das heißt, es kommt darauf an, wer der andere ist.« Sichtlich zufrieden mit seiner sinnigen Bemerkung beendete er den Satz miterneutem Lachen. Dass keiner der Umstehenden sein Verhalten lustig fand, störte ihn nicht.
Kieran kam näher. »Wieso sitzen Sie nicht im Gefängnis?«
»Man kann von dem Staat schlecht erwarten, dass er einen da unendlich festhält, oder? Ich jedenfalls nicht. Ich habe seine Gastfreundschaft eine Zeitlang genossen, das reicht, jetzt muss ich wieder für mich selbst verantwortlich sein. Wie jeder andere Bürger, der etwas auf sich hält.«
»Sie sind doch sicher aus einem bestimmten Grund gekommen.«
»Vor allen Dingen, um Ihnen zu danken. Ich will mich da nicht in Einzelheiten verlieren, bin ich doch sicher, dass Sie nicht vergessen haben, wie freundlich Sie waren. Sie haben mich daran gehindert, eine Tat zu vollbringen, die absolut gegen meine Natur ist, erst recht gegen meinen Stand in höheren Kreisen. Sie wollten mein Leben retten und haben es im Endeffekt auch getan. Der Tag damals? Oben auf den Zinnen? Erinnern Sie sich?«
»Und ob.«
»Gut. Auch ich werde das nie vergessen. Kein Wandel der Zeiten wird meiner Dankbarkeit etwas anhaben können. Wann immer es eine Frage der Ehre ist, bin ich ein Mann der Standhaftigkeit. Und Ihr Handeln verdient weit mehr, als in meinen bescheidenen Kräften steht.«
»Nett von Ihnen. Danke.«
»Das wäre nun also gesagt. Ich kann mir nicht vorstellen … ich meine, ich gedenke nach Australien zurückzukehren, und ich hoffte sehnlich, dass ich, ehe ich … fast hätte ich gesagt
in See steche,
aber wer tut das heute schon noch … also bevor ich von dem Land meiner Vorfahren Abschied nehme, das sich am besten hier in der Burg manifestiert, hoffe ich doch, dass Sie mir einen letzten … vielleicht raschen Rundgang …«
»Ich denke, Sie haben genügend Erinnerungen.«
»Dann gestatten Sie mir, selbige aufzufrischen … lebendig werden zu lassen, ehe ich …«
»Ich finde, es ist wirklich nicht …«
»Sie verstehen gewiss besser als jeder andere Sterbliche, was die Burg für mich bedeutet.«
»O ja. So viel, dass Sie nicht vor Fälschungen und unwahren Behauptungen zurückschrecken, um sie an sich zu bringen.«
»Aber das beweist doch nur umso mehr, wie groß meine Liebe zur Burg ist. Dass ich mich so weit vergessen konnte, kriminelle Handlungen zu begehen. Dass ich meinen Namen entwürdigte und mich auf Dinge einließ, die eigentlich Meineidigen und Schurken vorbehalten sind.«
»Ist ja heiter. Wirklich heiter. Trotzdem, ich halte es wirklich nicht …«
»Vielleicht könnten Sie sich auf einen Kompromiss einlassen. Vergessen wir den Rundgang. Nur einen kleinen Schritt hinein. In die Große Halle – für die ich so überwältigende Pläne hatte und von denen nun nicht ein einziger verwirklicht wird. Das werden Sie mir doch nicht wirklich abschlagen wollen.«
»Wenn damit dieses leidige Gespräch ein Ende hat, na gut.«
»Großzügig wie immer. Ich danke vielmals.«
»Denken Sie dran, die Halle dient gegenwärtig mehr oder weniger als Rinderstall.«
»Ich habe mich seit langem darin geübt, widerwärtige Dinge – ganz gleich, ob sie Auge oder Nase beleidigen – zu ignorieren oder besser, bewusst darüber hinwegzusehen. Sie können getrost sein, ich bin bei dem Erlebnis, das Sie mir so großzügig gewähren, auf alles gefasst.«
»Okay. Kommen Sie. Aber passen Sie auf, wohin Sie treten.«
Wieder ein verächtlicher Lacher, dann strebte der Lord der Großen Halle zu, vorbei an dem Laster, auf dem das Schwein vor sich hin wimmerte. Kieran machte die imposanten Türen weit auf.
Der Gestank drang bis zu Declan und Lolly, aber keiner von beiden zeigte die geringste Reaktion. Für sie gehörte der Geruch zu Kühen, die für sie liebenswerte und friedliche Tiere waren. Er schwängerte die Luft und erinnerte daran, dass so beruhigendeGeschöpfe wie Kühe Mitbewohner der Burg waren. Declan tat es fast leid, dass dank seiner Mühen die Kühe bald in Ställen hausen würden, auch wenn ihnen die Naturelemente wegen seiner meisterlich gedeckten Dächer nichts würden anhaben können. Es war durchaus möglich, dass sie den Prunk, der sie über ein Jahr umgeben hatte, vermissen würden, aber Declan tröstete sich damit, dass diese Kühe anpassungsfähig waren, eine Fähigkeit, die den meisten ihrer Art abhanden gekommen war.
»Hoffentlich versinkt er im Mist«, hörte
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