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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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halten.)
    Und dann kam ihm Kittys unheimliche Vision in den Sinn, in der sie nicht nur von Michaels Tod, sondern auch von Declans heimlichen Gefühlen gesprochen hatte. Doch als der Zauber, oder was immer es gewesen war, vorüber war, konnte sie sich an nichts von dem, was sie gesehen oder gesagt hatte, erinnern. Egal, bei jemandem, der mit hellseherischen Kräften ausgestattet war, konnte man nicht sicher sein, ob er nicht auch die geheimen Pläne eines anderen durchschaute. Das hieß, er durfte in ihrer Gegenwart nicht einmal an irgendwelche verschwörerischen Vorhaben denken.
     
    Declan war mit dem Anbringen von Haken beschäftigt, die für den Halt der Binsen an den Dachsparren wichtig waren, als er aus einem Augenwinkel heraus Peter McCloskey im Hofeingang stehen sah; sein Fahrrad hatte er an die Wand eines Stalles gelehnt, der letzte, der noch zu decken war. In der linken Hand, die er krampfhaft an den Körper gepresst hatte, hielt er ein Buch. »Ich weiß, Sie wollen keinen Gehilfen«, rief er mit seiner piepsigen Stimme, »aber ich wollte mal fragen, ob ich Ihnenvielleicht bei der Arbeit zusehen darf? Ich werde ganz still sein und nichts machen. Nur zusehen. Das verspreche ich.«
    Declan blickte in das frische Gesicht, sah das wellige Haar, das die schüchtern blickenden Augen fast verdeckte, auf die zarten Gliedmaßen. Trotz aller Scheu hatte der Junge seine Stimme in Gewalt – sie klang geradezu
männlich,
wie Declan fand, und es kostete ihn mehr Anstrengung als gewöhnlich, den nächsten Haken anzubringen. Trotz großer Konzentration wollte es ihm nicht gleich gelingen, und so murmelte er schließlich, wenn auch ohne aufzusehen, aber laut genug, dass der Junge es hören konnte: »Du wirst ganz still sein? Und nichts weiter machen?«
    »Versprochen. So, wie ich es gesagt habe. Soll ich es noch einmal sagen?«
    »Nicht nötig. Ich habe Ohren.« Er nickte zu dem Stapel mit dem Gerümpel von den Hausbesetzern hinüber. »Dort drüben.«
    Behände kletterte der Junge über all den Unrat hinweg nach oben, als bestiege er den Gipfel auf der Insel Skellig Michael. Mit strahlendem Gesicht suchte er sich zwischen dem ausrangierten Müll eine passende Stelle zum Sitzen und ließ Declan mit einem dankbaren Kopfnicken wissen, dass er es zufrieden war.
    »Ich werde nichts erklären«, sagte Declan und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Hast du verstanden?«
    »Ist auch gar nicht nötig. Ich weiß, was da gemacht wird.« Stolz hielt er das Buch hoch. »Ich habe das hier studiert. Alles gelesen. Über Strohdächer und wie man sie deckt. Ich weiß, dass Sie mit Schilfrohr arbeiten und jetzt gerade die Haken oder Knechte einsetzen. Und da drüben bei dem nächsten Schuppen haben Sie schon die Dachkonstruktion vorbereitet, die Sie brauchen, die schrägen Dinger da sind Sparren, und das dünnere Holz darüber sind Trägerlatten, und das darunter sind die Pfetten. Stimmt’s?«
    »Steht das alles da drin?«
    »Hier.« Wieder hielt er das Buch hoch. »Wollen Sie mal sehen?«
    »Glaubst du, dass ich das nötig habe?«
    »O nein. An so was habe ich nicht gedacht.«
    »Aber es steht alles in dem Buch da? Wie man Dachdecker wird?«
    »Nicht alles. Das ginge ja auch gar nicht. Man lernt doch nur, wenn man selbst Hand anlegt. Was in dem Buch steht, lässt all das aus, was nur ein Meister des Fachs weiß. Deshalb hoffte ich ja, Sie würden mich wenigstens zusehen lassen. Und ich bin auch ganz still.« Er lachte leise. »Das eine Versprechen habe ich schon gebrochen. Tut mir leid. Ich hoffe, Sie ändern nicht Ihre …«
    »Bleib, wo du bist. Es geht schon in Ordnung.«
    »Vielen Dank, Sir.«
    »Ich bin kein ›Sir‹. Weder ein König noch eine Königin hat mich dazu gemacht – und sollten sie mir wirklich ein Schwert an den Nacken setzen, dann gewiss nicht, um mich zum Ritter zu schlagen und einen ›Sir‹ aus mir zu machen.«
    »Ich bitte um Entschuldigung, Mr Tovey.«
    »Die Anrede gefällt mir schon besser.« Er grummelte vor sich hin und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, so gut es ging. Er bedauerte zutiefst, dass er den Jungen beim letzten Mal so grob behandelt hatte. Der hatte doch nichts dafür gekonnt. So ein schmächtiges Kerlchen. Und so wissbegierig. Declan gab sich alle Mühe, sich nicht von dem Jungen ablenken zu lassen, der aufmerksam jeden seiner Handgriffe verfolgte. Er sollte ihn besser fortschicken. Nein. Er sollte bleiben.
    Nach einer ganzen Weile meinte Declan: »Wir machen jetzt eine

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