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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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traf er auf Kieran, der irgendein Bündel anschleppte. Declan hastete an ihm vorbei, ohne ihn im Geringsten zu beachten, und bemerkte nicht, dass Kieran ihn verdutzt ansah. Wie sollte der auch nicht, so verdreckt, wie Declan war, obendrein roch er nach Pisse. Doch für Declan spielte das alles keine Rolle.

Kapitel 9
     
     
    Die Burg musste gesprengt werden. Declan hatte es geschworen, und er selbst würde es tun. Der Anblick der beiden Gehängten, Brid und Taddy, hatte ihn in seiner Entschlossenheit bestärkt. Schon seit seinem zehnten Lebensjahr war er von dem inneren Wunsch beseelt, sie befreien zu können – seit dem Tag, da er, wie es in der Familie Brauch war, als Mann betrachtet wurde. Ende September am Michaelistag hatte ihn sein Vater an die Hand genommen und war mit ihm zur Burg Kissane gewandert, ein gutes Stück Weges, aber kürzer hätte er nicht sein dürfen, denn der Vater brauchte die Zeit, um ihn auf das Geheimnisumwobene vorzubereiten, in das er nun eingeweiht werden sollte.
    Von Kindesbeinen an hatte er mit dem Heldentum der Tovey-Ahnen gelebt. Seine Vorfahren waren, selbst schon im fortgeschrittenen Alter, bereit gewesen, sich statt des hübschen Taddy und der schönen Brid hängen zu lassen, damit den beiden der Weg ins ihnen vorbestimmte Glück offen stand. Doch ihr großherziges Angebot hatte nur dazu geführt, dass Seine Lordschaft sie auspeitschen ließ, denn er sah sich um das Vergnügen gebracht, dem Leben von zwei so hoffnungsvollen gutaussehenden Menschen ein Ende zu setzen. Und nun war für den zehn Jahre alten Declan die Zeit gekommen, die mit dem Mysterium verbundenen weiteren Geheimnisse zu erfahren. »Zu allererst musst du ein Gelübde ablegen«, hatte sein Vater gesagt, »nie darfst du es brechen, sonst bist du verdammt in alle Ewigkeit. Bist du Manns genug, dich daran zu halten?«
    »Ja, Dad.«
    »Dann hör gut zu. Und zeige niemandem außer deinen eigenen Kindern, was du heute zu sehen bekommst. Hast du verstanden?«
    »Ja, Dad.«
    »Du bist ein wackerer Mann, Declan. Dein Vater ist stolz auf dich.« Und dann erzählte er ihm die Geschichte.
     
    Declan und sein Vater erreichten die Burg. »Du darfst jetzt nicht sprechen und musst ganz leise sein«, sagte der Vater. Er räumte am Fuße des Turms ein paar Steine zur Seite und wies nach unten ins Dunkle. »Folge mir und bleib an meiner Hand, denn nur ich kenne den Weg.« Er ging ein paar in den Fels gehauene Stufen hinab und verschwand in der Dunkelheit. Declan hielt sich dicht hinter ihm. Es war feucht und muffig, das Atmen machte Mühe. Von panischer Angst erfasst, fuchtelte Declan wild mit den Armen umher, ertastete die Schulter des Vaters und suchte dessen Hand, die er fest umklammert hielt. Sein Vater führte ihn durch das Verlies, eine verfallene Treppe hinauf und von dort durch eine offen stehende Tür, durch die sie auf die untere Ebene der Burg gelangten. Es ging weiter durch mehrere Räume mit steingemauerten, teilweise getünchten Wänden, bis sie an eine Wendeltreppe kamen. Sie befanden sich im Burgturm und kletterten hinauf.
    Den ersten großen Absatz ignorierten sie, er war völlig leer, hoch oben war ein Fenster in die Mauer eingelassen. Was Declan auf dem zweiten Treppenabsatz zu sehen bekam, enttäuschte ihn. So viel Geheimniskrämerei, und alles, was sich ihm zeigte, war ein junger Mann, der auf einem Schemel hockte, eine Harfe ohne Saiten an die Brust drückte und so tat, als ob er spielte. Na gut, es gab auch noch einen Webstuhl, dem Aussehen nach ganz schön alt, und an dem saß ein Mädchen, vielleicht schon mehr ein Backfisch, denn der Zehnjährige spürte bei ihrem Anblick gewisse Regungen. Das Mädchen tat, als würde es weben.
    »Sieh genau hin, aber sage nichts«, flüsterte sein Vater.
    Gehorsam schaute Declan hin. Der junge Mann und auch das Mädchen schenkten ihnen keinerlei Beachtung, betrieben weiterhin ihre Narretei, als wären sie allein. Hatte sein Vater ihnden ganzen weiten Weg wegen dieser jungen Leute, die wohl nicht ganz richtig im Kopf waren und die sich in einer Burgruine ihre Bleibe gesucht hatten, hierher geschleppt? Dann aber sah Declan ihre Nacken, die Haut einst wundgescheuert von einem groben Strick und jetzt vernarbt. Der Vater legte dem Jungen einen Finger auf die Lippen. Sie blieben so stehen und schauten den beiden weiter zu.
    »Das ist Brid«, sagte sein Vater schließlich, »und das ist Taddy.«
    Das waren Namen, die Declan kannte. In ehrfürchtiger Scheu stand er mit offenem

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