Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
Vom Netzwerk:
verstanden werden wollte. »Declan? Wieso Declan?«
    »Er war es. Nur er kann es gewesen sein, ich weiß es. Er …«
    Sie bemerkte die Vergeblichkeit ihrer Worte und schwieg. Auch Kieran hatte es die Sprache verschlagen. Nichts war zu sehen, alles nur zu hören gewesen. Dann ließ das Poltern nach und verstummte, auch das Scheppern von kleineren Steinchen, das sich angehört hatte, als ob Regentropfen auf ein Schieferdach trommelten, verebbte. Am abendlichen Himmel breitete sich eine Staubwolke aus. Kitty schlug die Hand vor den Mund. Kieran legte den Arm um ihre Schultern und zog sie dicht an sich heran.
    Etwa in Höhe der Bergkuppe, oberhalb der Staubwolke, im Glanz der letzten Strahlen der Abendsonne bewegten sich langsam, fast zögernd Taddy und Brid, als folgten sie vagen Rufen, denen sie nicht recht trauten. Taddy ging voran.
    »Nein! Bleibt! Verlasst uns nicht!«, rief Kitty laut.
    Nach ein paar weiteren Schritten drehte sich Brid um und schaute auf den aus den Ruinen aufsteigenden Staub. Wie zu einem letzten Lebewohl streckte sie die Hand nach dem Ort ihrer Verbannung aus. Taddy berührte sie an der Schulter. Mit gesenktem Kopf riss sie sich von dem Anblick los. Sie gingen weiter, jetzt rascher. Taddy mit erhobenem Kopf in frisch gewonnener Würde. Als sie sich dem Sonnenball näherten, blieb er stehen, dann auch Brid. Wieder drehte sie sich um. Dieses Mal blickte sie direkt zu Kitty und Kieran; nie zuvor hatte sie das getan und so gezeigt, dass sie sie bewusst wahrnahm. Mit der rechten Hand berührte sie sacht den rauen Strick, der wie ein Kragen um ihren zarten, jugendlichen Hals lag. Jetzt drehte sich auch Taddy zu ihnen um. Er hob den Arm, die Handfläche zu ihnen gerichtet, ein Abschiedsgruß, nicht nur für Kitty und Kieran, sondern auch für die Stätte seines Leidens.
    »Nein!« Kierans Stimme klang heiser und beschwörend. »Taddy! Brid! Nein!«
    »Lass sie ziehen«, sagte Kitty leise.
    Der schöne junge Mann und das hübsche junge Mädchen senkten die Köpfe, wandten sich für immer ab und nahmen ihren vom Schicksal vorbestimmten Weg wieder auf. Ihre derbe Kleidung wurde von einem glänzenden Schimmer erfasst, als wäre das einfache Tuch von strahlenden Fäden durchwirkt. Die groben Stricke um den Hals, in denen sich die Strahlen der untergehenden Sonne fingen, brachten plötzlich zarte Blätter von schönstem Lorbeer hervor, weich und die Haut liebkosend, ein sinnreiches Äquivalent für die goldene Krone eines Märtyrers. Und dann erlebten Kitty und Kieran, wie der Glanz der Sonne und der Glanz des ach so schönen Mannes und des ach so hübschen Mädchens miteinander verschmolzen.
    »Vergesst uns nicht«, flüsterte Kitty.
     
    Aaron saß in der Küche. Er hörte es von ferne krachen und spürte ein leises Zittern des Fußbodens unter seinen Füßen. Er führte das Phänomen auf die Worte zurück, die er gerade las und die auf die Rückseite eines Ausdrucks gekritzelt waren, den er am Morgen von dem dritten Kapitel eines neuen Romans gemacht hatte. Darin ging es um einen Mann, der seiner sündigen und untreuen Frau verzeiht, die mit einem Bariton durchgebrannt war, den sie in einem Kirchenchor kennengelernt hatte. Aaron hatte Schwierigkeiten, sich auf die einzelnen Wörter zu konzentrieren. War aber auch nicht nötig. Die Botschaft war eindeutig. Seine Frau Lolly war mit Declan Tovey auf und davon. Er, Aaron, sollte dafür Sorge tragen, dass die Schweine regelmäßig gefüttert wurden, da sie ihm nun für immer überlassen worden waren. Benommen, wie er war, empfand er sogar eine gewisse Erleichterung. Er würde nicht länger schreiben müssen. Endlich würde er einer Berufung folgen können, in der er weniger einsam war. Und er würde ein treuer Partner sein – den Schweinen jedenfalls.
     
    Als es dunkel geworden war, hielten Tom und Jim von der örtlichen
gardaí
an den Ruinen Wache. Der Staub hatte sich gelegt, und vom Meer hatte der Wind Nebel landeinwärts getrieben,der sich nun auch über die Reste der Burg Kissane senkte. Zwar war Vollmond, aber sein Licht drang nur wie ein Schleier bis zu den geborstenen Steinen und kreuz und quer liegenden Balken durch.
    Nichts rührte sich. Dann sahen Tom und Jim in dem sich leicht hebenden Nebel an der Stelle, wo ursprünglich der Turm gewesen war, eine Gestalt zwischen den Steinen stehen. Es konnte niemand anders als der Geist sein, den sie befürchtet hatten. Im schönsten Aufzug stand er da, Lord Shaftoe persönlich aus längst vergangenen

Weitere Kostenlose Bücher