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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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einiger Überwindung bahnte er sich seinen Weg durch die Ekel erregenden Strohballen, entledigte sich seines Burberry und vergewisserte sich mit einem kurzen Griff nach dem Dreispitz, dass der auch richtig saß. Er war bestens ausstaffiert: Die Brokatweste kam durch das offene Justaucorps voll zur Geltung, und das mit Spitze verzierte Jabot kaschierte die schlaffen Hautfalten. Diegroßartige Aufmachung schmeichelte seiner Eitelkeit dermaßen, dass sein Blutdruck bedrohlich in die Höhe schoss.
    Er holte aus dem Burberry-Mantel die Kerze hervor, probierte den Zigarettenanzünder, löschte ihn wieder und stopfte ihn in die Westentasche. Was er dort fühlte, erinnerte ihn an das einmalige Artefakt, das die Echtheit seiner Erscheinung unanfechtbar beweisen würde. Er nahm die Goldmünze heraus, die ihm mysteriöserweise – nein, wunderbarerweise – zugespielt worden war. Zweifelsohne kam sie von einem heimlichen Bewunderer, die königliche Prägung ließ die Deutung zu, dass seine Tat auf Zustimmung stieß, ja, sogar abgesegnet war von geheimen Mächten, die sich derer angenommen hatten, die sich zu Recht zurückholten, was ihnen fürstlich zustand.
    Er hielt die Münze ins Licht der Kerzenflamme. Goldsprenkel glitzerten und kündeten von noch größeren Reichtümern. Mit ausgestreckter Hand reckte er das Prunkstück in die Höhe, berauschte sich an dem, was es versprach.
    Ein grauenvoller Schrei entrang sich seiner zugeschnürten Kehle. Münze und Kerze fielen zu Boden. Wie versteinert starrte er auf den Kronleuchter aus Eisen. Unmittelbar vor seinen hochherrschaftlichen Augen hingen an dicken, groben Stricken eine junge Frau, vielleicht noch ein Mädchen, und ein junger Mann, vielleicht noch ein Junge, mit hervorquellenden Augen und mit geschwollenen, aus dem Mund hängenden Zungen.
    Er stolperte zurück. Die hinuntergefallene Kerze hatte das Stroh entzündet, die Münze war nirgends zu sehen. Ein weiterer Aufschrei, der beabsichtigte Hilferuf
Feuer
kam nicht zustande. Zweimal stampfte er auf den brennenden Boden, doch die Flammen griffen um sich. Er kämpfte sich durch das Stroh, doch das verfing sich in den Schnallen seiner Schuhe. Zweimal geriet er ins Stolpern, konnte sich nur mit Mühe wieder fangen und stürzte zur Tür. Der erste Versuch, den Riegel zu lösen, misslang. Er hämmerte auf das Holz ein, versuchte es erneut mit dem Riegel. Die Tür schwang auf. Er taumelte hinaus auf den Hof. Ohne auch nur einen Blick nach hinten zu werfen, rannteer auf die Burgstraße, sprang über die Steinmauer und lief über das Feld, über das er gekommen war.
    Erst als er am Auto angelangt war, blieb er stehen und blickte zurück zur Burg. Blitz und Donner tobten dort, nur kamen sie nicht vom Himmel, sondern aus der Erde. Die Burg, völlig überrascht von diesem Wunderwerk, ließ alle Fenster hell aufleuchten. Noch leisteten die Mauern Widerstand, hielten die Steine sich gewissermaßen in Alarmbereitschaft, wollten nicht fassen, dass das Ende drohte. Dann flogen sie, wie von Fesseln befreit, in die Höhe, standen einen Moment unbeweglich, als wollten sie nicht glauben, dass es höher nicht ging, fügten sich in ihr Schicksal und stürzten zu Boden. Ein wütender Lärm, ein Sturm von berstenden Steinen, und mittendrin eine stumme Harfe und zersplitterte Teile eines unbestückten Webstuhls. Der Turm, die hehren Räume, die getünchten Wände – nur noch herabstürzende Trümmer, die sich zu einem riesigen Berg häuften und bis in den Hof ausbreiteten, wo sie die Ställe und schilfgedeckten Dächer unter sich begruben.
    Dann stieg eine gewaltige Asche- und Staubwolke auf, senkte sich und bedeckte Schutt und Ruinen wie in einem Akt der Barmherzigkeit. Das war alles, was von der in ihrer Schlichtheit erhabenen Burg Kissane, die Jahrhunderte überdauert hatte, geblieben war.
    Seine Lordschaft brach, noch ehe sich der Staub gelegt hatte, in jämmerliches Schluchzen aus.
     
    Als sie jenseits des Berges den grollenden Lärm hörten, waren Kitty und Kieran fast am Fuße des Abhangs angelangt. Die Kühe waren sogar schon ein Stück voraus und hatten es bis zum wartenden Lastwagen nicht mehr weit. Sie blieben stehen – die Kühe, Kitty und Kieran. Dann trotteten die Kühe weiter, Kitty und Kieran aber sahen sich an. Reglos. Gleich darauf rannte Kieran zurück und bergan, kam aber nicht weiter als bis zu einem dicken Stechginstergestrüpp. Kitty hatte ihn bald ein. »Declan! Nein!«, schrie sie.
    Kieran musste brüllen, wenn er

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