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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Schläfen, wühlt in seiner Tasche und schüttet sich den Inhalt von zwei Tütchen in den Mund. Dann geht er schnurstracks in das Gebäude, vor dem er stehen geblieben war. Ich überquere die Straße.
    Es ist ein Vereinshaus. Ich lasse Joachim Matthias die Treppen hochsteigen und sehe mir die Broschüren am Eingang an. Es handelt sich um einen Verein des Behindertensportverbandes. Im gleichen Haus befindet sich auch eine Beratungsstelle für Menschen mit multipler Sklerose.
    »Willst du irgendwie was Bestimmtes?«, höre ich eine weibliche Stimme sagen. Ich drehe mich um. Am Empfang, der eben noch unbesetzt war, steht eine junge Frau in einem löchrigen Nachthemd, geringelten Strumpfhosen, Doc Martens und halbrasiertem Kopf. Ihre Ohren sind an allen möglichen Stellen durchstochen und stark gerötet. Um ihren Bauchnabel herum sind Sterne tätowiert, und in der Mitte prangt ein rot funkelnder Strassstein. Mit ihren riesigen schönen Augen guckt sie mich aufmerksam an.
    »Nee, na ja, also, vielleicht. Kennst du den Typen, der da eben die Treppe hoch ist?«
    »Wen? Hab niemanden gesehen?«
    »So einen mit schwarzen Locken, Mokassins und einem Turnbeutel.«
    »Ach, du meinst Jo. Der ist so ein verklemmter Spießer, ein leibhaftiger Weirdo. Wenn der nicht so’n Lappen wär, hätt ich Angst vor dem. Aber wieso willst du das wissen? Bist du irgendwie pervers und hast Bock auf den?«
    Sie macht einen Schritt auf mich zu, in ihrer kleinen Hand hält sie eine große Tüte mit ziemlich viel Gras.
    »Quatsch!«, sage ich und mache einen Schritt zurück.
    Sie grinst mich an und zwinkert.
    »Wenn du hier die Empfangsdame spielst, damit ich in den Keller verschwinden kann, erzähl ich dir alles über den!«
    »Du bist hier die Empfangsdame?«
    »Ja, wieso?«
    »Na ja, deine Klamotten und so.«
    »Gefallen sie dir nicht?«
    »Das meine ich nicht, es ist nur …«
    »Also, mein Vater ist hier so eine Art Oberchefboss, deshalb musste ich nicht zum Vorstellungsgespräch. Passt du jetzt auf oder nicht?«
    »Gern.«
    »Wie heißt du überhaupt?«
    »Stine. Und selber?«
    »Melody.«
    Melody bleibt ziemlich lange weg, sie hat mir gesagt, ich brauche nichts machen, außer zu sagen, dass sie gleich wieder da ist.
    Als sie zurück ist, setzen wir uns auf die Treppenstufen im Eingangsbereich. Sie berichtet mir, während sie ihren nächsten Joint baut, dass Joachim verheiratet sei und zwei pubertierende Kinder habe. Markus und Michaela. Seine Frau Marlies sei an multipler Sklerose erkrankt und sitze im Rollstuhl. Der Sportverein sei ein gemischter Sportverein für Behinderte und deren Angehörige. Joachims Kinder haben seine schwarzen Locken geerbt, seien aber schöner als er. Eigentlich laufe alles ganz gut für Joachim Matthias, glaubt Melody. Sie seien eine glückliche Familie, trotz der Krankheit seiner Frau. Als sie ihre Ausführungen beendet hat, ist auch der Joint fertig. Sie fügt noch hinzu:
    »Sex darf Marlies inzwischen ablehnen. Die sind sowieso religiös. Denen reicht angeblich ein bisschen Fortpflanzungssex, Sperma rein, Hände hoch, sonst Schuldgefühle. Was für eine verlogene Drecksideologie.«
    Melody arbeitet gelegentlich am Empfang des Sportvereins. Eigentlich hat sie eine Zwei-Personen-Reggae-Punk-Funkelectropop-Band namens Blue Magpie and Lavender Sqiud. Als ihre wichtigsten Einflüsse nennt sie Gogol Bordello, The Congos, George Clinton, DAF und Les Rita Mitsouko. Sie spielt Keyboard, Bass, Ukulele, Säge und singt. Ihr Mitstreiter spielt Percussion und Schlagzeug. Auf ihrem MP3-Player darf ich mal reinhören, das Stück heißt »Granulated« und gefällt mir ganz gut.
    Ich sehe ihre großen, schwarz geschminkten Augen jetzt mehrmals die Woche. Um Informationen von ihr zu erhalten, genügt es, mich als Gegenleistung an ihren Platz zu setzen, damit sie in Ruhe im Keller kiffen kann.
    Wenn ihr Vater vorbeikommt, sage ich, sie sei auf der Toilette oder Pommes holen. Irgendwann drängt sie mich, ihr zu beichten, warum ich so viel über die Familie Matthias wissen will. Ich erzähle ihr schließlich von meinem Verdacht, dass Joachim Matthias etwas mit meiner Stiefmutter hat. Sie bekommt einen Lachanfall, der bei Leuten mit derartig hohem Graskonsum eher ungewöhnlich ist. Als sie sich beruhigt hat, steht sie von der Treppe auf, zieht an meinem Arm und sagt:
    »Los, scheiß auf den Empfang, heute kommt eh keiner mehr, wir gehen in den Hinterhof, da ist es jetzt beinahe ein bisschen schön.«
    Nach einigen verregneten Wochen

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