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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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immer an verhasste Mitschüler.
    Ramona sagt: »Wenn man jung ist und schwitzt, finden die Männer das geil!«
    »Und was hat das jetzt mit Alterszucker zu tun?«, erkundige ich mich.
    »Also, man hat auf alle Fälle auch viel Durst beim Alterszucker!«
    »Aha, mhm, ja. Na, den hast du ja!«
    »Lachsack gefrühstückt, Stinker? Och nö, guck ma da, wie meine Oberarme hängen, die kann man richtig hin- und herschwingen.«
    »Ach was, du siehst gut aus. Außerdem hast du ja jemanden, der dich liebt, egal ob was schwingt. Reiner meinte, du gehst shoppen? Kann ich mitkommen, ich brauch dringend einen kurzen Jeansrock für den Urlaub.«
    »Och nö, Stine, ich brauch Ruhe zum Aussuchen. Ich bring dir so einen Fummel mit, wenn du willst.«
    »Nett von dir, soll ich dir Geld geben?«
    »Nein, lass mal, ich freu mich doch, wenn ich dir eine Freude machen kann.«
    Das ist gelogen. Ich gehe in mein Zimmer, lehne die Tür an, lege mich auf mein Bett und warte. Ramona stöckelt herum, sprüht sich so ausgiebig mit Diors
Hypnotic Poison
ein, dass es die ganze Luft verpestet. Dann ruft sie viel zu freundlich: »Also, Jeansmini dann? Deine Beine hätte ich auch gern! Bis später, ich such dir was Hübsches aus.«
    Die Tür fällt ins Schloss. Das war eindeutig ein Kompliment zu viel. So ist sie sonst nicht mal, wenn sie gute Laune hat. Sie will mich vom Denken abhalten. Ich warte, bis die Haustür unten zuknallt, und folge ihr. Reiner braucht mich heute zum Glück erst zur Mittagszeit.
    Es ist nicht besonders schwer, Ramona zu verfolgen, sie ist nicht der Typ, der sich umschaut. Auf ihre wunderliche Art ruht sie in sich selbst, zumindest, solange sie weiß, wann es wieder etwas zu trinken gibt. Sie zupft und zieht an ihrem Kleid, sieht flüchtig in jedes Schaufenster, öffnet ihren Palmenzopf, schüttelt ihr dünnes Haar, schneuzt sich ungeniert die Nase, betrachtet das Ergebnis, fährt sich mit der anderen Seite des Taschentuches über die Stirn und das Dekolleté, holt flink ein Deo aus der Tasche, sprüht sich kurz unter die Achselhöhlen und zieht den Lippenstift nach.
    All das schafft sie, ohne ihre Schritte zu verlangsamen.
    Sie verschwindet im Shoppingcenter, kommt nach etwa einer halben Stunde mit einer Tüte wieder raus, wirft einen Blick auf die Uhr und setzt schnellen Schrittes ihren Weg fort. Ein paar Straßen weiter bleibt sie abrupt vor einem zweistöckigen himmelblauen Haus stehen und schaut wieder auf die Uhr.
    Sie lehnt sich an eine Litfaßsäule und raucht schnell zwei Zigaretten hintereinander. Ich stehe hinter einem Gebüsch und rauche mit ihr.
    Zwei Nonnen kommen aus dem Haus. Als sie verschwunden sind, schnipst Ramona hektisch die eben angezündete dritte Zigarette weg, überquert schnell die Straße und klingelt an der Tür. Ein Mann öffnet, ichsehe ihn nur zur Hälfte. Kurz darauf werden die Rollläden im ersten Stock heruntergelassen.
    Ich nähere mich dem Haus und lese:
     
    ÖKUMENISCHER PFLEGEDIENST
    Leitung: Joachim Matthias
     
    Darunter, hinter einem rostigen Draht, klemmt ein Stapel Broschüren. Ich nehme mir eine heraus, sodass alle anderen auf den Boden fallen.
     
    Mensch und Natur sind Gottes Schöpfung. Die Arbeit für kranke und alte Menschen ist in unserem Pflegedienst von diesem christlichen Grundgedanken getragen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jedem Menschen begegnen wir mit Respekt und Achtung.
     
    Schnell verwerfe ich den Gedanken, Ramona könnte hier arbeiten. Und das, ohne damit zu prahlen! Ihr Aufenthalt in dem himmelblauen Haus hat sicher einen anderen Grund. Pflegepersonal trägt niemals goldene Gürtel.
    Mir ist ein bisschen schlecht, außer dem Mettgesicht habe ich noch nichts gegessen. Ich versuche nicht an meinen übersäuerten Magen zu denken und lese weiter in der Broschüre:
     
    Fachberatung in allen Fragen der häuslichen Krankenpflege, Familienpflege, Grundpflege sowie der allgemeinen Körperpflege.
     
    Plötzlich wird die Tür geöffnet. Schnell verstecke ich mich hinter einem Lieferwagen.
    Ramona kommt aus dem Haus, ein Mann steht hinter ihr, sie umarmen und küssen sich, sie hören gar nicht mehr auf, angewidert wende ich mich ab. Schließlich verabschieden sie sich. Ramona geht zunächst rückwärts und wirft dem Mann immer wieder Küsse zu. Erst als er sich umdreht, um wieder ins Haus zu gehen, dreht auch sie sich um und beschleunigt ihre Schritte. Sie hüpft fröhlich davon, wie ein kleines Mädchen, das zu Hausesein muss, bevor die Straßenlaternen

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