Das Schwein unter den Fischen
antwortete dann, dass das keiner verstehen könne und man immer zu doof für solche Gedanken bleibe, bis man sterbe. Da bekam ich eine Panikattacke, und wir mussten raus aus der Grotte.
Die Tropfsteinhöhle in Bulgarien wird wieder zu dem Torbogen in meiner Stadt. Das gelbe Licht färbt meine blasse Haut. Die Luft ist schwül, von weit her höre ich es donnern.
Auf der Straße, vor dem Tor, fällt ein dicker Tropfen auf meinen Arm. Dann noch einer. Ich warte auf den Regen, aber er bleibt aus. Der Blitz in der Ferne ist nur noch ein Flackern. Ein Auto blendet mich mit seinen Scheinwerfern, rast an mir vorbei, schlingert und fährt fast auf den Bürgersteig.
Ich muss hier weg, denke ich, Enki bringt alles durcheinander. Ich werde Simon anrufen oder Kassian, ich kann mit ihnen eine gute Zeit haben. Nimm einen Mann, hat Oma Senta gesagt, den du nicht zu sehr liebst, dann verlierst du nie die Kontrolle.
Ich weiß nicht mehr, aus welcher Richtung wir vorhin gekommen sind. Als ich höre, wie mir jemand nachläuft, drehe ich mich um. Es ist Blane alias Sean alias Vaclav. Er wirkt viel frischer als vorhin.
»Hey, wo warst du denn? Tatjana nervt. Ich bin schnell abgehauen, die kriegt heute sowieso nichts mehr mit und sonst eigentlich auch nicht besonders viel. Übrigens, Tatjana ist gar nicht meine Freundin, sondern nur ’ne Sängerin ohne Band, ’ne Schauspielerin ohne Film, sie modelt rum. Hast du ihr Versace-Kleid gesehen? Das hatte sie auch in der Kampagne an. Sie interessiert mich nicht mehr, ich bin selber schön genug. Findest du mich schön? Ich finde, du bist heiß, eigen, ein Original. Wollen wir noch woandershin? Im
Supereverything
ist heute ’ne fette Party. Da steh ich auf der Gästeliste plus so viele, wie ich will.«
Plötzlich taucht Enki hinter Blane alias Sean alias Vaclav auf und macht ein ernstes Gesicht. So ernst habe ich ihn noch nicht gesehen. Ich dachte, so ernst könne er gar nicht sein. Er sagt noch ernster, als er aussieht:
»Gibt es ein Problem?«
Blane alias Sean alias Vaclav dreht sich um. Er ist viel größer als Enki.Noch mehr Prügeleien könnte ich heute nicht ertragen. Enkis Augen funkeln, ich ziehe ihn weg, sage:
»Tschüss, Sean, wir gehen ein anderes Mal aus.«
»Aber ich habe doch gar nicht deine Nummer.«
»Und die kriegst du auch nicht!«, ruft Enki.
Ich schiebe ihn schnell um die nächste Ecke.
»Sean, oder was?«, ruft er voller Verachtung. Er scheint ganz schön betrunken zu sein. »Der Wichser heißt Thomas!« Enki taumelt und versucht, das Fahrrad aufzuschließen.
»Ich dachte Vaclav«, sage ich.
»Ja, das interessiert dich, was? Ist doch egal, Vaclav dann eben. Aber er heißt Thomas. Der erzählt doch jedem was anderes, so einer ist das. Bei mir weißt du wenigstens, woran du bist!«
»Ach ja, weiß ich das?«
»Komm, wir gehn nach Hause! Ich fahre dich.« Er klopft mit der Hand auf den Gepäckträger.
»Wohin nach Hause?«
»Na, zu Heinrich, dann hast du es morgen früh nicht so weit zur Arbeit.«
»Ich soll bei dir schlafen, in deinem Bett?«
»Ja, in Thomas’ Bett wärst du doch auch gegangen, oder?«
»Spinnst du? Ich nehme mir jetzt ein Taxi, du kannst mich mal!«
»Ach ja?« Er steigt auf sein Rad und fährt los.
Ich gehe einfach so schnell ich kann in die andere Richtung, ohne eine Ahnung davon zu haben, wo ich mich befinde. Enki dreht um und radelt mir nach. Er klingelt wild, gleich, denke ich, rammt er mir den Reifen in die Fersen. Doch er fährt nur neben mich und sagt:
»Du kannst doch um diese Zeit unmöglich alleine so weit nach Hause gehen! Es tut mir leid. Wenn du willst, sage ich es auch immer wieder: Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid. Ich bin eifersüchtig.«
»Warum das denn? Zwischen uns läuft doch gar nichts. Wir haben uns nur ein einziges Mal geküsst. Das ist alles. Und du hast schließlich noch genug andere Frauen zum Küssen. Dafür brauchst du mich bestimmt nicht.Ich kann bei so bildschönen Killer-Tussen, die wahrscheinlich genauso wild vögeln, wie sie um sich schlagen, ja auch nicht mithalten. Wer weiß, vielleicht stehst du ja auf so was. Tut mir leid, dass ich keine Perverse bin. Ich hatte genug Gelegenheiten, pervers zu werden, aber ich bin es einfach nicht! Kirsten ist garantiert eine großartige Perverse, und dazu kann sie heulen wie ein kleines Mädchen!«
Meine Stimme überschlägt sich, ich fange an zu husten, mein Hals ist
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