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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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was?«
    »Doch, doch, bestimmt, irgendwann. Was ist das für ein Zeug? Es macht mich überhaupt nicht dröge«, sage ich.
    »Grand Cru.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es ist einfach besser!«
    »Besser als was?« Ich ziehe noch einmal am Joint.
    »Besser als Scheiße.«
    »Das ist nicht schwer«, sage ich und höre mich lachen. Ich kann Enki nicht orten. Alles, was weiter entfernt ist als der Typ neben mir, schaukelt sanft im feierlich bunten Licht. Vorhin kam Kirsten aus dem Krankenhauszurück, ich sah Enki mit ihr sprechen. Ich verrenkte mir fast den Hals, um zu sehen, dass sie auch wieder auseinandergingen. Ich werde so lange hier sitzenbleiben, bis Enki zu mir kommt und mich abholt.
    »Wie heißt du?«, frage ich den Sänger.
    »Mein Künstlername ist Blane Cholesterol, aber in Wirklichkeit heiß ich Sean, wie Puff Daddy!«
    »Der heißt so?«
    »Ja, Sean ist sein Geburtsname, ich steh voll auf den.« Er sagt es ohne Begeisterung.
    »Auch auf Hip-Hop?«
    »Nee, das ist mir meistens zu lustig, aber Puffy ist ein Rocker! Eigentlich sind die Rapper die Rocker von heute. Wo sonst gehört Rock-’n’-Roll-Lifestyle noch zum guten Ton? Und wo gilt Feminismus heute sonst noch als schlechter Geschmack?«
    »Und das ist gut?«
    »Yeah!«
    »Hast du Probleme mit Frauen?«
    »Nee, Quatsch, ich bin volle Ladung Feminist, ich mag nur einige Styles nicht, aber ich hör mir alles an, was Frauen zu sagen haben, alles! Meine Exfreundin hat immer über ihre Muschi gequatscht, mit Ausfluss und Abstrich und Fungi-Vaginalzäpfchen, Antifungi, Fungitoxic oder wie das heißt. Das hab ich mir alles reingezogen! Da war ich aber scheißfroh, dass ich grundsätzlich nicht lecke. Prinzipien braucht die Sau, dann wirkt sie auch mal schlau! Findest du das schlimm?«
    »Keine Ahnung, ich habe keine Meinung dazu. Ich hatte noch nie Oralverkehr. Will ich auch nicht, es ist eine von diesen Sachen, über die zu viel geredet wird. Ich halte Oralverkehr für überbewertet. So wie Kiffen.«
    »Ich denke, du hast keine Meinung dazu, weil du es noch nie gemacht hast?«
    »Dann halte ich eben das Reden über Oralverkehr für überbewertet.«
    »Weil du nicht mitreden kannst!« Sean zwinkert mir zu, für einen kurzen Moment sieht man seine Zungenspitze, gleich wird er sich die Oberlippe lecken, und ich werde mich ekeln. Sein Ausdruck ist lüstern, ich fühlemeine Stirnfalte und meine verzogenen Lippen. Ich habe meine Gesichtszüge nicht mehr im Griff. Er lässt die Zunge drinnen. Mein Gesicht fängt an zu jucken und meine Nase wird taub. Ich schließe meine Augen, weil sie anfangen zu tränen. Ich wende mich von Sean ab, klettere von der Bühne und male Linien in den Kies. Enki ist nirgends zu sehen, ich sage:
    »Ich will nicht über Sex sprechen! Die Leute reden auf Partys nur darüber, weil sie eigentlich Sex haben wollen.«
    »Willst du über Liebe reden?!« Sean brüllt, als gebe es etwas zu gewinnen. Ich wechsele das Thema:
    »Was läuft denn da für Musik? Hört sich ähnlich an wie eure Musik vorhin. Seid ihr das?«
    »Nee, aber thank you for the compliment! Thank youhu pretty baby! Das sind The Sparkling Pubes, glory shit! Meine Idole! Der Kopf der Band ist der Bassist von Yves and the Abdullahs! Für Augustin war Yves’ Tod das Beste, was ihm passieren konnte. Sie hätten sich natürlich einfach The Abdullahs nennen können, aber das hätte keiner geschluckt, es hätte einfach immer was gefehlt, weißt du, was ich meine?«
    »Ja, Yves hätte gefehlt! Er war einer von den Großen. Schade um ihn«, sage ich und habe keine Ahnung, was ich da rede oder wovon Sean gesprochen hat oder woran Yves gestorben ist. Aber mein Zuspruch hat Sean gefallen. Schweigend hört er gar nicht mehr auf, im Zeitlupentempo zu nicken. Er öffnet den Mund, schließt die Augen, er ist wirklich gut im Blöd-Dasitzen.
    »Wieso heißt du denn Sean, ich dachte, ihr seid Tschechen?«
    »Nee, wie kommste denn darauf? Meine Eltern sind Polen, aber deshalb muss ich doch auch nicht Karol, Vaclav oder Pjotr heißen. Scheißvorurteile! Langweilig, diese Welt, aufgeteilt, eingekeilt, grenzwertig. Vielleicht waren meine Eltern eben polyglott, wenn auch nur abstrakt! Wie heißt du denn, deutsches Mädel?«
    »Stine.«
    »Ist das dein vollständiger Name?«
    »Celestine.«
    »Siehste!«, ruft Sean, wacht ein letztes Mal auf, zieht noch mal am Jointund sinkt dann vollkommen in sich zusammen. Ein paar Minuten sagt er nichts mehr und hört auch auf, apathisch vor sich hin zu nicken. Ich

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