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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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doch nicht das Herz brechen, Enki!«
    Enki versucht, meine Hand zu nehmen, ich ziehe sie weg. Eine Band fängt an, Musik zu spielen, ich habe gar nicht gemerkt, dass sie aufgebaut haben.
    Mira wendet sich an Ingrid: »Und, hast du dir heute schon wieder nicht die Aufführung angesehen?«
    »Nein, aber ich war immerhin da!«
    Mira ruft für alle hörbar: »Meine beste Freundin ist eine frustrierte Frau, die niemandem Erfolg gönnt. Ich würde mit ihrem Mann schlafen, wenn er nicht ein noch größeres Arschloch wäre als sie!«
    Ingrid lacht laut auf, diesmal klingt es nicht künstlich. Enki hat sich aus irgendeinem Grund wieder auf den Boden gelegt und die Hände hinter dem Kopf gefaltet. Ich gehe zu ihm, schaue auf ihn hinab und sage:
    »Na, jetzt freiwillig?«
    »Du hast mir das Leben gerettet. Danke.«
    »Ach, Quatsch, die hätte dich schon nicht umgebracht.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher. Du solltest wissen, dass Kirsten mal im Jugendknast war, weil sie ihre Mutter mit einem Kerzenständer gekillt hat. Sie hat ihn ihr an den Kopf geworfen und keinen Krankenwagen gerufen. Ihre Mutter hat sie andauernd verprügelt. Dagegen ist meine Mutter eine pädagogische Leuchte.«
    »Oh, ach so, verstehe, wann war das denn?«
    »Es ist schon über zehn Jahre her. Sie redet aber nicht so gern darüber.«
    »Kann ich verstehen.«
    Enki steht auf, hält mir die Hand hin und sagt:
    »Eigentlich wollte ich mit dir hier einen guten Abend verbringen. Kriegen wir das noch irgendwie hin? Das alles hier muss sehr seltsam auf dich wirken. Und meine Mutter ist, wie du bestimmt bemerkt hast, manchmal ein bisschen spröde.«
    »Ein bisschen?«
    »Also, was ist? Feiern wir trotzdem noch zusammen?«
    »Was denn?«
    »Die Premiere eines Theaterstücks zum Beispiel.«
    »Ich weiß nicht, mir ist, als wäre ich auf irgendwelchen exotischen Drogen.«
    »Na, das ist doch eine gute Voraussetzung, um zu feiern!«
    Ingrid kommt auf uns zu und ruft:
    »Polka!«
    Sie drückt mir ihr Glas in die Hand und beginnt, sich unaufhörlich zu drehen. Plötzlich bleibt sie stehen, taumelt, streckt mir die Hände entgegen und grinst so breit wie vorhin. Ihre Zähne sind immer noch blau. Enkis Mutter scheint mich doch zu mögen. Ich bekomme Lust zu tanzen.
    »Was ist das für Musik?«, frage ich Mira, die sich bei mir eingehakt hat.
    »Tschechischer Ska. Ich komme aus Prag. Nicht dein Fall? Nachher singt Jessica McIntyre Bossa Nova mit Gil an der Gitarre, Achid trommelt, und Freunde aus Berlin spielen ab Mitternacht Elektro und zum Abschluss polnischen Rock.«
    »Das ist phantastisch!«, schreie ich und bewege mich immer schneller zur Musik, bis ich Seitenstechen bekomme. Ich rauche viele verschiedene Zigaretten, trinke Rotwein, Wodka und verliere mich in albernen Gesprächen und guter Musik. Während der letzten Zugabe verabschiedet Ingrid sich, mit ihr verlassen auch andere das Gelände. Die Verbliebenen wirken nicht, als hätten sie vor, jemals nach Hause zu gehen. Die Musiker sitzen alle auf der Bühne, trinken Kaffee und Schnäpse. Etwas, das wie Britpop auf Französisch klingt, tönt aus einem Ghettoblaster. Ich gehe an die Barund hole mir ein Wasser. Auf der Bühne erspähe ich neben dem Sänger der polnischen Rocker noch einen freien Platz und mache mich auf den Weg. Der Typ ist viel älter als ich. Mira wälzt sich im Kies mit dem Schlagzeuger, der viel jünger ist als sie.
    »Hey, na!«, sagt der Sänger und hält mir einen Joint hin. Ich ziehe daran, obwohl mich Kiffen eigentlich langweilt. Eine Zeitlang versuchte ich es zu mögen, weil ich glaubte, an der universalen Popularität müsse etwas dran sein. Ich steigerte sogar meinen Konsum, um es endlich zu verstehen, bekam aber bloß eine wirre Birne und sah schließlich überall Zeichentrickfiguren. Als ich aufhörte, wurde ich trotzdem tagelang kaum wach und schwitzte trotz tiefstem Winter nackt unter meiner Decke. Als ich kurz darauf Kokain probierte, war ich so aufgedreht, wie zum letzten Mal als Kind. Das gefiel mir gut, deshalb konsumierte ich es lieber nicht noch einmal.
    Abhängig werden scheint mir nicht erstrebenswert. Die Aussicht, nur noch hellwach oder vollgedröhnt zu sein, ist mir zu apokalyptisch – das alles erzähle ich auch dem Sänger, nachdem ich an seinem Joint gezogen habe.
    Er sagt:
    »Verstehe. Das erinnert mich irgendwie an ›Don’t Forget Your Bucket‹. Das erste Stück auf unserer neuen EP.«
    »Und wie heißt ihr?«
    »The James Spaders! Noch nie gehört oder

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