Das Schwein unter den Fischen
ich kaufe sie online und brenne dir eine CD. Und wenn du willst, du kannst sie zu Hause wieder auf Tape aufnehmen, it’s so easy!«
»Ach ja? Wie willst du das anstellen? Der Campingplatz hat gerade mal einen schrottigen Minigolfplatz und Tischtennisplatten ohne Netze! Internetcafé,oder was? Wer’s glaubt, wird selig! Ich fahr keinen Meter weiter ohne
Rock Romance!
«
»Papa, es tut uns allen leid, wir verstehen dich, aber wir können doch nicht für immer hier an der Raststätte bleiben.« Dr. Ray sagt:
»Wir finden schon irgendwo in der Nähe ein Internetcafé und einen CD-Brenner, Italien ist ja nicht Wonderland. No problem! Und dann hören wir every day
Rock Romance!
Alle deine geliebten Songs!«
»Auf Kassette?«, fragt Reiner.
»Papa, wir haben in dem Caravan einen CD-Player, ist doch egal, woher die Musik kommt«, sage ich und weiß, dass das so nicht stimmt. Reiner antwortet nicht, geht auf die Toilette und kommt erst nach einer halben Stunde wieder zurück. Tante Trixi reicht ihm ein dreistöckiges Mett-Sandwich mit Rucola. Er isst es auf und entscheidet dann, die Reise fortzusetzen. Zum ersten Mal in meinem Leben sagt er nicht »It’s time for music!«, bevor er das Auto startet.
Nachdem wir auf dem Campingplatz unseren Caravan Deluxe in der ersten Reihe bezogen haben, erkundigt sich Dr. Ray nach einem Internetcafé. Weil wir Stammgäste sind, ist es für Lello, den Platzchef, Ehrensache, dass sein Sohn die Lieder persönlich herunterlädt und auf CD brennt. Die meisten davon hat, er selber auf CD, er und Reiner haben sich schon immer gut verstanden. Mein Leben ohne
Rock Romance!
dauert also nicht besonders lange.
Zwei Tage später sitzen wir alle zusammen auf der Echtholzterrasse, essen Pizza, die Reiner vom neuen Take-away-Service des einzigen Restaurants am Platz mitgebracht hat, und hören
Rock Romance!
in neuer Klangqualität. Eine Literflasche Montepulciano ist trotz der Hitze schnell geleert. Tante Trixi öffnet die nächste Flasche, Reiner steigt auf Bier um, Ramona trinkt Fernet-Branca auf Eis, Dr. Ray und ich Orangina.
Reiner hat die Repeatfunktion entdeckt. So hören wir fast den ganzen Abend »Here I go again«, und Reiner wird nicht müde, sich jedes Mal über die Wiederholung zu freuen.
Obwohl es inzwischen dunkel ist, ist es noch zu heiß zum Schlafen.Auf dem Campingplatz brennt immer irgendwo Licht. Nebenan sehe ich eine asiatische Frau, etwa in meinem Alter, am Grill ein gigantisches T-Bone-Steak braten. Ein breiter Mann in einem bunt gestreiften Bademantel steht neben ihr und raucht Zigarre. Sie haben die größte Terrasse des Platzes. Ich wünsche einen guten Abend, die Frau winkt mir zu, strahlt und sagt:
»Hallo, meine Name Pattarawadee Knott! Kann nenne mi Pat! Das meine Mann, Herr Eckert Knott.«
»Freut mich, ich bin Stine. Ich bin mit meiner Familie hier. Wir sehen uns dann ja noch!« Ich deute auf unseren Platz, sie winkt wieder.
»Ja, gerne, schöne Abend wünsche.« Sie wendet sich wieder dem Steak zu. Herr Knott mustert mich bloß und lutscht an seiner Zigarre. Als ich ein paar Schritte weiter bin, höre ich ihn sagen:
»Ich will nicht, dass du zu viel mit den Leuten redest, sag ›Guten Tag‹ und ›Auf Wiedersehen‹, das reicht. Und jetzt brat mein Steak schneller, das ist ja noch roh am Knochen, ich hab schon ein Loch im Bauch.«
Ich laufe über den Platz, treffe ein paar Mädchen und Jungs, die mir Wodka anbieten und mich dazu animieren wollen, mit ihnen auszugehen. Ich lehne ab und finde den Pfad runter zum Strand. Weit draußen im Wasser höre ich Tante Trixi, Dr. Ray und Reiner. Ich habe Dr. Ray noch nie ohne Rollkragen gesehen. Ramona steht mit einer Flasche Sambuca in der Hand bis zu den Knien im flachen Wasser und raucht. Die anderen schwimmen langsam zurück. Tante Trixi treibt auf dem Rücken am Ufer entlang, und ich lege mich in den warmen Sand und schaue in die funkelnden Sterne. Alle paar Minuten sehe ich eine Sternschnuppe, und aus der Ferne höre ich die Bässe des
Planet Passion
. Plötzlich ertönt lautes Brummen und Zischen, der Wagen, der Insektizide versprüht, fährt die Wege des Platzes ab. Mir war einmal tagelang schlecht, weil Reiner vergessen hatte, unsere Buletten rechtzeitig abzuschirmen. Immerhin wurden wir alle den ganzen Urlaub über nicht mehr gestochen.
Der Lärm des Spritzwagens gehört genauso zum Urlaub wie der der Sprengungen des Kieswerkes gegenüber und die seit Jahren andauernden Bauarbeiten an dem neuen Aquapark
Weitere Kostenlose Bücher