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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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die Schilder drehen, und weil Kinder sich überall auf der Welt an den gleichen Dingen erfreuen, zeigen die Wegweiser oft in eine falsche Richtung. Also halte dich daran, was ich gesagt habe! Ich zeichne es dir noch mal auf.«
    Heinrich stemmt sich vom Boden ab und macht einen Drehsprung, wühlt in einer Schublade und beginnt, mit einem Leuchtstift auf der Landkarte herumzuzeichnen.
    Ich tippe ihm auf die Schulter und frage:
    »Warum muss ich das jetzt alles wissen?«
    Er schaut nicht auf und stammelt:
    »Ja, weißt du, es ist so, Enki hat sich nämlich schon auf den Weg gemacht, er war vorhin in Eile. Er wollte, dass ich dir Bescheid gebe, dass er schon los ist.«
    »Was? Warum so umständlich, Heinrich? Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«
    Ich habe einen Kloß im Hals, meine Knie werden weich.
    »Ich wollte nicht so mit der Tür ins Haus fallen.«
    »Seit wann das denn nicht?«
    »Er hat gesagt, ich soll dir ausrichten, ihr seht euch dort. Ich dachte, vielleicht wirst du verletzt sein, wütend. Du weißt ja, was mit dem Überbringer schlechter Nachrichten passiert …«
    »Spinnt der? Der spinnt doch! Ich kann doch nicht einfach so weit weg vom Campingplatz, was denkt der? Haut ab und glaubt, ich laufe ihm hinterher?«
    Ich haue mit der flachen Hand auf den Tisch, dass es schmerzt.
    Heinrich versucht mich in den Arm zu nehmen, ich trete ihn. Er sagt:
    »Puh, du hast aber ganz schön Kraft! Gerat nicht in Panik, du siehst ihn doch wieder.«
    »Das will ich gar nicht. Würde ich ihm was bedeuten, wäre er gar nicht weggefahren, ohne sich von mir zu verabschieden.«
    »Ach, wie schön, ihr Frauen seid doch noch ein bisschen wie früher. Solange ihr jung seid, versteht ihr selten was von Selbstgenügsamkeit. Und ihr glaubt, Liebe hätte was mit Abhängigkeit zu tun. Ein spaßverderblicher Fehler.«
    Heinrich kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm.
    »Ich erzähle dir jetzt eine Geschichte, die mir einmal mein alter Freund Abdullah Ibrahim erzählt hat. Ein großer Musiker. Aber das nur am Rande. Die Geschichte handelt davon, wie in seiner Heimat Südafrika durch List Affen gefangen werden: Wenn man zum Beispiel in einem Café sitzt, hocken ringsherum in den Bäumen häufig Affen und beobachten, was man da so isst. Natürlich will der Affe immer gern etwas von dem Schmaus abbekommen, den sich der Mensch gönnt. Man sitzt also da und isst genüsslich ein paar Nüsse, sodass der Affe gut erkennen kann, dass es Nüsse sind. Man isst nicht alle Nüsse, sondern steht irgendwann auf und legt sie in eine kleine Mulde in einem Baum. Der Affe klettert von seinem Baum herunter und macht sich flink auf zu dem Baum mit dem Loch. Er steckt seinen Arm hinein, greift nach den Nüssen und bekommt seinen Arm dann nicht mehr heraus. Warum? Er müsste dazu die Nüsse wieder loslassen, denn seine Faust passt nicht durch das kleine Loch. Das wird er aber nicht tun, da er zu gierig ist. So kann man ihn sehr leicht einfangen. Er erkennt nicht, dass man nicht alles haben kann, und hat am Ende weder Freiheit noch Nüsse! Und so tun die Menschen es auch immer wieder. Der Zauber des Glücks, meine liebe Stine, ist die Freiheit!«
    »Und was ist Freiheit?«
    »Dein Mut beschert dir Freiheit, Stine, immer wieder, dein ganzes Leben lang. Es ist das Gesetz des Lebens. Mehr verrate ich dir heute nicht. Nur noch eins: Von Wasser allein ertrinkt man nicht!«
    »Wie auch immer, Heinrich, es ist nett, dass du all das sagst, dass du versuchst, mich zu trösten, aber ich meine doch bloß, ich hätte mir gewünscht,es wäre eben anständig gewesen, wenn Enki sich verabschiedet hätte. Nach letzter Nacht meine ich. Er hat bei mir übernachtet. In meinem Zimmer. In meinem Bett.«
    »Unter einer Decke? Ah ja, hm, hm. Vielleicht sind das nicht die besten Manieren, da hast du sicher recht. Aber er hatte wohl Angst, nicht von dir loszukommen. Er ist verliebt, wenn er dich noch einmal gesehen hätte, wäre er geblieben und hätte sich nicht auf den Weg gemacht. Ich, Heinrich, bin voller Überzeugung, dass es sich so und nicht anders in Enki ereignet hat. Sich auf den Weg zu machen, war zu diesem Zeitpunkt das Wichtigste für ihn, aber nicht gegen dich gerichtet.«
    »Na, und woher weißt du das alles? Hat er es dir so gesagt?«
    »Ach, Stine, es spielt doch keine Rolle, woher ich alter Mann weiß, was ich weiß. Wichtig ist nur, dass du weißt, dass Enki losmusste und dass es nichts mit dir zu tun hatte. Er hat noch einiges aufzuarbeiten, was seine

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