Das Schwein unter den Fischen
in unmittelbarer Nähe. Der Spritzwagenentfernt sich, vor mir baut sich eine Wand Mücken auf, sie wirbeln benommen in der Luft und verschwinden dann über dem See.
Zwei Jungs in weißen Jeans und T-Shirts leuchten wie zwei riesige, sich nähernde Glühwürmchen und schlendern an mir vorbei. Einer dreht sich noch mal um, kommt zurück und gibt mir einen Flyer für das
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. Es ist Guido, Lellos Sohn. Als ich vierzehn war, war er schon Platzwart. Das hat mich damals beeindruckt, also habe ich jeden Tag während der Mittagsruhe hinter dem Sanitärhaus mit ihm geknutscht, und in der Minidisco habe ich mich nur noch von ihm zum Engtanz auffordern lassen. Er hat mir am Ende des Urlaubes eine Postkarte mit einem Sonnenuntergang gegeben. Um seine Telefonnummer hatte Guido Herzchen gemalt und neben seine Adresse einen lächelnden Kürbis mit langen Wimpern und einem Kussmund. Zwischen seiner Adresse und dem Kürbis stand ein Pluszeichen. Tante Trixi meinte, es sei kein Kürbis, sondern ich als Mond, der Mond sei in Italien nämlich weiblich.
Guido fand die Minidisco schon im nächsten Sommer nicht mehr cool genug, er war gewachsen und ziemlich beschäftigt mit einer Gruppe Belgierinnen.
Mit verschränkten Armen steht Guido nun vor mir, sagt »Hi, how are you?« und bemüht sich um die professionelle Höflichkeit seines Vaters.
»Fine, and you?«
Er nickt, setzt sich vor mir in den Sand und malt darin ein Muster aus Kreisen.
Ich sage: »Olympic Games?« Guido lacht und antwortet: »Si, summergames! Lovegames!«
Der andere Typ zündet sich eine Zigarette an und plaziert sich abseits, den Blick auf den Himmel gerichtet. Guido arbeitet nicht mehr für seinen Vater auf dem Platz, sondern für seinen Onkel im
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und will, dass ich mit ihm dort hingehe. Ich winke ab, ich sei zu müde, und frage:
»Do you know Marcella?«
»Marcella? Which Marcella, what is next name?«
»I don’t know, but she is a DJ, sometimes she works in
Planet Passion
.«
»Ah, yeah, I know her, she good girl.«
»Do you know, when she will be there next?«
Guido breitet die Arme aus.
»She is soooooo big in business, she only there for the big party in August. She is expensive!«
Er sieht mich an und sagt:
»You is beautiful! You is like the moon«, er deutet nach oben.
»You are«, verbessere ich ihn.
Er lächelt, zuckt mit den Schultern, kneift mir in die Wange und verspricht, dass ich den ganzen Sommer über im
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auf der Gästeliste stehen werde.
Eigentlich sieht Guido noch immer gut aus, und er wirkt nicht mehr wie jemand, der versucht, jemand anderes zu sein. Damals kaute er den ganzen Sommer auf einem Streichholz herum. Nur wenn wir uns küssten, nahm er das Streichholz aus dem Mund.
Reiner kommt schnaufend aus dem Wasser.
»Mensch, Guidolito, how is it?«
Guido und Reiner klatschen ein. Ich ziehe mein Kleid aus, laufe ins Wasser.
Am nächsten Morgen hat Reiner im Minimarkt Brötchen geholt und vorgeschmiert, damit wir schnell an den Strand können. Dr. Ray trägt einen Sommerschal passend zu seiner gelborangenen Badehose, sagt, es sei auch ein Mark Rothko, und lacht zum ersten Mal, seit ich ihn zu Hause verheult in dem Van vorfand.
Reiner und Ramona halten Windstille bei über dreißig Grad aus, ohne ins Wasser zu gehen. In den ersten Tagen des Urlaubs übertreiben sie es so sehr mit dem Sonnen, dass sie tagelang gar keine Lust mehr auf den Strand haben und schon vormittags anfangen zu grillen.
Reiners Haut ist besonders verbrannt. Eine Nacht verbringt er vor dem Ventilator im Vorzelt, nackt und von oben bis unten mit Joghurt eingeschmiert. Ramona hatte ihn am ersten Tag von ihrem selbstgemixten Superbräuner aus Olivenöl, Karottensaft und Currypulver überzeugt.
Reiner und Ramona glauben, ohne einen ordentlichen Sonnenbrand stelle sich dieses ganz bestimmte Urlaubsgefühl einfach nicht ein.
Nach einer Weile ist es wie immer, und wir essen nur noch abends gemeinsam. Jeder steht auf, wann er will, geht zum Strand, wann er will, an welche Stelle er will. Ich habe schon drei Bücher gelesen und sitze nachmittags mit Tante Trixi auf der Terrasse, als ich das vierte Buch aufschlage. Reiner cremt sich summend ein, die anderen sind noch am Strand. Tante Trixi hat nicht mal ihren zweiten Toast aufgegessen und sieht irgendwie schlanker aus.
»Was ist los, hat die Hitze dir den Appetit verdorben?«, frage ich.
»Schlimmer«, antwortet sie. »Ich bin verliebt!«
Tante Trixi hatte vor ein paar
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